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Heute rede ich mit David Schraven. Kaum jemand anders hat den Journalismus in Deutschland in den vergangenen 10 Jahre so stark mit geprägt wie David. Er hat unter anderem das gemeinnützige Recherchebüro Correctiv, die Online-Journalistenschule Reporterfabrik und Publix, das neue Haus für Journalismus in Berlin gegründet.
Ich rede mit David darüber
Today, I am speaking with David Schraven, a powerhouse in German journalism over the past decade. David is the visionary founder of the non-profit research agency Correctiv, the innovative online journalism school Reporterfabrik, and Publix, a dynamic new hub for journalism in Berlin.
During our discussion, we will cover several key topics:
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Uwe Martin [00:01:13]:
Heute rede ich mit David Schraven, dem Gründer von CORRECTIV, der Reporterfabrik und Publix, dem neuen Haus für Journalismus in Berlin. Wie kaum jemand sonst hat David den Journalismus der vergangenen zehn Jahre in Deutschland mitgeprägt.
David, du hast irgendwie unglaublich viel gemacht, Korrektiv gegründet, ein Haus gegründet und so weiter. Reden wir vielleicht später drüber, aber jetzt machst du in Kaffee. Warum?
David Schraven [00:01:15]:
Das ist eine lange und eine kurze Geschichte. Die kurze Geschichte ist, wenn man sich überlegt, was bringt alle Menschen zusammen, egal welcher Herkunft, egal welcher Religion, was verbindet alle? Kaffee. Kaffee trinken sie alle. Und wenn du Leute zusammenbringen willst, wenn du willst, dass Leute miteinander reden, stell eine Tasse Kaffee hin. Oder Bier. Bier ist auch gut, aber da macht zumindest die muslimische Welt nicht mit. Aber geht auch. Bier geht auch.
Uwe Martin [00:01:44]:
Und das hast du gemacht? Hast du eine Tasse Kaffee hingestellt? Oder was hast du gemacht? Die längere Geschichte jetzt mal dazu.
David Schraven [00:01:49]:
Genau, wir haben uns überlegt, also wir haben in meiner Heimatstadt gesehen, wie die Innenstadt verfällt, wie die kaputt geht. Und dann war halt halt Irgendwann die Frage, ob man weiter zuguckt und sich darüber beschwert. Und ich von meiner Lebensweise, von meinem Lebensweg hätte ja auch weggehen können. Hätte sagen können, ja gut, dann gehe ich halt da hin, wo es schön ist. Aber ich wohne halt da in Bottrop, kann ich nichts machen. Und dann habe ich gedacht, okay, zusammen mit den Kollegen, da müssen wir dafür sorgen, dass dat in unserer Stadt schöner wird und besser wird, dass wir eine Wende einleiten können. Und dann haben wir gesagt, wir bringen Menschen zusammen mit Kaffee, haben nen Kaffeewagen besorgt und haben dann ein ziemlich breites Konzept im Laufe der Jahre ausgerollt, wat nen Kaffeewagen hat, was mittlerweile Kinos hat, was Musikfestivals hat, was eine ganze Menge verschiedene Sachen zusammenbringt. Und alles wird zusammengehalten von dem Marktviertelbriefing, von einem Newsletter, den ich mache, wo heute die Diskussionen vorangetrieben werden.
Uwe Martin [00:03:00]:
Jetzt sagst du, da werden Diskussionen vorangetrieben, du hast so Leute zusammengebracht. Wie ist das entstanden? Du hast das mit so Leuten gemacht. Sind das Journalisten oder wer ist das? Wer hat das gemacht?
David Schraven [00:03:12]:
Bottroper. Ganz normale Leute. Also Leute, die ich kenne, mit denen ich gerne zusammen bin. Und dann entstehen halt, wie soll ich sagen, wenn einer aktiv wird, wenn man mit mehreren aktiv wird, dann entstehen Dynamiken. Also, wir haben dann andere Kollegen im Bottrop, die halt auch Sachen machen. Ein paar Kollegen haben eine Brauerei aufgemacht. Und diese aktiven Menschen finden sich und sagen halt irgendwann, wir müssen was zusammen verändern. Wir müssen eine Innenstadt, eine Stadt, ein Lebensumfeld verbessern. Und Ich kann schreiben. Dann habe ich gesagt, okay, ich schreibe. Das war mein Job mit dem Journalismus dabei. Ich kann aber organisieren. Da habe ich gesagt, okay, ich mache eine Firma auf. Und mit der Firma, mit den anderen zusammen, ziehen wir dann einen Laden auf. Und ein anderer kann halt gut einkaufen, der kauft halt Sachen für den Laden ein. Aber so kommen halt alle Dinge zusammen. Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinem Wünschen bringt sich da ein, macht Sachen und so entsteht halt so ein Konzept, was wir bei uns im Bottrop Markt-Viertel nennen.
Uwe Martin [00:04:16]:
Das heißt, das ist nicht aus dem Journalismus heraus entstanden, sondern die Idee war erstmal eine andere, oder?
David Schraven [00:04:21]:
Ne, also in meinen Augen ist das Journalismus. Und zwar geht es halt darum, wie bringe ich Menschen zusammen, wie organisiere ich Kommunikation und wie organisiere ich die Kommunikation so, dass daraus eine Aktivität entstehen kann. Ich will nicht vorgeben, welche Aktivitäten entstehen, aber ich kann organisieren, wie die Kommunikation strukturiert wird. Und das muss halt nicht sein, ich schreibe irgendeine Zeitung voll oder ich schreibe Zeilen oder ich mache einen Blog oder was auch immer. Kommunikation kann in tausend anderen Wegen laufen. Bei uns passiert das auch in Events. Wir machen Diskussionsveranstaltungen auf dem Marktplatz. Wir sind permanent ansprechbar. Wie gesagt, jeden Samstag bin ich normalerweise am Kaffeewagen, stehe da rum und erzähle mit Leuten. Teilweise kommen dann Leute, erzählen mir irgendwelche Skandale aus der Stadt. Daraus kann ich Geschichten machen. Teilweise geht es dann Informationen, wie sich die Stadt selber entwickelt. Und das, was wir erfahren, was ich erfahre, schreibe ich dann auf und sorge dafür, dass innerhalb dieser Gemeinschaft ein Kommunikationsraum entsteht.
Uwe Martin [00:05:30]:
Und das war von Anfang an die Idee davon, mit diesem Kumpel zusammenzukommen, den Kaffeewagen dorthin zu stellen, den Marktplatz zu beleben.
David Schraven [00:05:38]:
Genau. Die Kernidee war, wo ist der Hebel, wenn man eine Stadt im Niedergang umdrehen will. Also Wir haben ein Ziel. Wir machen das nicht nur so als Kunst für die Kunst, sondern wir haben ein Ziel. Und wir wollen unsere Heimat, unser Land, unser Erbe, wollen wir unseren Kindern hinterlassen, dass die da auch leben wollen, dass die das auch schön finden. Und Bottrop ist jetzt halt eine Stadt, die ist ziemlich gekniffen. Das war die letzte Bergbaustadt in Deutschland. Die ist wirtschaftlich unfassbar ruiniert. Wird seit, grob geschätzt, 2000 Jahren von der SPD regiert. Du hast halt einen zementierten Zustand, den man, um ihn zu verändern, aufbrechen muss. Aufbrechen heißt kommunikativ aufbrechen, diskursiv aufbrechen, in den Abläufen aufbrechen, in den Prozessen aufbrechen. Also du musst halt ganz viele verkrustete Strukturen aufbrechen. Und damit du das kannst, musst du halt einen Ansatzpunkt finden, für diesen Hebel der Menschen dazu befähigt, selber aktiv zu werden, sich selber einzubringen. Und der Hebel ist der Markt. Weil auf den Markt kommen die Menschen, auf den Markt reden die Menschen. Der Markt ist die Freiheit des Einzelnen. Angefangen von Preisen, die du verhandeln kannst, aber auch zu der Kommunikation, die du machen kannst. Da haben wir gesagt, da setzen wir an. Und von da aus entwickeln wir alles. Also entwickeln heißt den Kaffeewagen als Ort, den Kiosk als Treffpunkt, den Newsletter als Kommunikationsinstrument.
Uwe Martin [00:07:18]:
Spannend, weil das ja eigentlich so eine ganz altertümliche Art ist. Der Marktplatz war es ja schon immer so. Wieso gerade heute? Also wieso passt das jetzt so?
David Schraven [00:07:29]:
Du hast halt eine Abfolge von vielen falschen Entscheidungen. Über viele Jahre sind viele falsche Entscheidungen getroffen worden. Die Rolle, die wir einnehmen in Bottrop, ist die Rolle, die eigentlich ne Lokalzeitungen einnehmen. Also du schaffst den Diskussionsort, Du schaffst den Treffpunkt, den Austausch der Meinungen, den Austausch der Gedanken, den Austausch der Ideen und schaffst Gemeinschaft. Und aus der Gemeinschaft heraus organisierst du Diskussionen. Das ist Medium. Die Medien haben sich aber darauf verlassen in ihrer ersten arroganten Phase: „Die können uns alle nix, wir machen, was wir wollen.“ Und sind halt mit ihren Redaktionen aus den Innenstädten herausgezogen. Das ist ganz oft passiert. Dadurch haben die sich aus der Gemeinschaft entfernt. Das zweite war, die Redakteure von den Lokalzeitungen, also etliche Redakteure von Lokalzeitungen wollten nicht mehr da sein, wo ihre Communities sind. Die Redakteure sind aus dem Essener Süden in den Essener Norden gefahren, um zu berichten. In Bottrop kommen entscheidende Redakteure nicht aus der Stadt. Die kriegen Sachen mit, klar, aber die kriegen halt nicht die Strömung mit. Woher sollen die das wissen? Die stehen halt nicht am Fußballplatz nachts. Die stehen nicht, weiß ich nicht, bei Regen auf dem Markt. Die wollen die dat mitkriegen. Das ist die zweite falsche Entscheidung. Und dann eben hast du wirtschaftliche Veränderungen, die schneller innerhalb der Gesellschaft, der Community passieren, als dass die in den Ebenen der Politik nachvollzogen werden können. Du hast da so eine Trägheit. Ist ja auch gut, dass es träge ist. Dann gehen Sachen nicht so schnell kaputt. Aber du hast halt eine träge politische Ideenklasse, sag ich mal, wo halt für jeden irgendwie klar ist, wie Dinge passieren. Und das ist sehr lange so. Aber das Fundament dieser Ideenklasse gibt es überhaupt gar nicht mehr. Das hört sich jetzt abstrakt an. Ich sage es mal ein bisschen konkreter. In Bottrop war die SPD immer so stark, weil die Berchleute da waren und stark waren. Das hat bedeutet, dass die IG BCE, die Gewerkschaft, die Masse der Delegierten der SPD bestimmen konnte. Jetzt ist die Zeche aber nicht mehr da. Das heißt, die Gewerkschaft hat nicht mehr den Einfluss auf die einzelnen Wähler, auf die Lebensverhältnisse der Menschen. Die gibt es nicht mehr. Das heißt, das Wurzelwerk, das Fundament ist weg. Das hat aber die Partei ja nicht mitgekriegt. Die hat gedacht, das funktioniert immer noch so wie früher. Ist aber nicht. Das hat zur Konsequenz jetzt auf der politischen Ebene, dass aus Gladbeck der nächste Bundestagskandidat für unseren Wahlkreis kommt. Nicht mehr der Bottropper. Das war immer der Bottropper, weil der halt die Gewerkschaft auf seiner Seite hatte und der Püt bei uns war. Ist nicht mehr da, mit einmal ist das weg. Und dieses ganze Geflecht löst sich alles auf. Alle Beziehungen untereinander lösen sich auf. Damit lösen sich, weiß ich nicht, das Dagewesen, was eine Stadt ausgemacht hat, das Gewebe einer Stadt löst sich auf. Und das kann man nur neu machen, wenn man sich darum kümmert, wenn man sich anstrengt. Und das ist das, was wir tun. Und dafür brauchst du Medien, Dafür brauchst du Kommunikation.
Uwe Martin [00:10:48]:
Jetzt bist du da an diesem Kaffeestand. Was sind Geschichten, die sich daraus ergeben, die du sonst nicht gefunden hättest? Was für eine Art von Geschichten sind das? Und wie berichtet ihr dann auch?
David Schraven [00:10:58]:
Erst mal geht das ganz viel Entwicklung. Da kommt jeder in die Stadt und dann sagen die so, was machst du denn da? Und hast du gehört, was weiß ich, der geht pleite, der hat das gemacht, da vorne, die haben bei dem Fundament beschissen, da hinten ist das und jenes passiert. Alles Mögliche, da wird alles mögliche zugetragen. Wenn du als Journalist am Kaffeestand bist, auf dem Marktplatz, innerhalb von zwei Stunden weißt du alles, was relevant ist. Das reicht aber ja nicht. Sondern dann fängst du an zu recherchieren. Das sind Sachen, die noch nie passiert sind in einer lokalen Stadt. Dass man auch Konfrontation eingeht, dass ich halt Auskunftsklagen durchgezogen habe. Aufgrund von Informationen, die ich bekommen habe, habe ich gelernt, da ist eine wertvolle Information, die will ich haben, die wurde verweigert, ich kann klagen. Dadurch, dass ich nicht zu dem Gewebe gehöre der Stadt, habe ich auch die Möglichkeit zu klagen, weil ich mir nichts kaputt mache. Sondern ich bin halt unabhängig, der Dritte. Ich spiele nicht mit in der Party, deswegen kann ich das machen. Und dadurch kannst du halt Geschichten bringen über Verfilzung in der Wirtschaftsförderung, über Korruption, über… Eine Geschichte, die fand ich total spannend, Wir reden immer vom Marktplatz. Das ist ein Gefiert von 400 x 400 Meter, ein ziemlich kleines Gelände. Und alles da drin ist spannend. Du hast eine Riesenpleite. Der Karstadthausbetreiber, der Velo, Riesengeschichte. Dann die Fakta AG, ein Riesenimmobilienbetreiber aus Nordrhein-Westfalen ist kaputt gegangen mit ein paar hundert Millionen. Die Geschichte ist vor Ort entstanden. Ein Medizinbetrüger konnte da so Maskenbetrugsfälle aufklären. Das ist halt alles in diesem kleinen Gefiert. Und die spannendste Geschichte war mit den Cooks, die dann den Cookstaxi am Marktplatz betrieben haben. Und die siehst du und kannst drüber schreiben. Oder über Korruption im Rathaus, wo der Chef vom Ordnungsamt korrumpiert worden ist. Das siehst du da, das erlebst du, du redest darüber, findest die Quellen und dann kannst du halt mit den Methoden, die wir als Journalisten sonst können, eine größere Aufklärung erreichen, als das normal möglich wäre.
Uwe Martin [00:13:20]:
Und du konzentrierst dich dann aber auch wirklich auf so investigative Geschichten oder so? Oder machst du so alles?
David Schraven [00:13:28]:
Was ich interessant finde, Also das ist halt so, ich mache das als Hobby. Also das ist nicht, dass ich das hauptberuflich mache. Aber ich sehe halt, dass das eine hauptberufliche Chance wäre. Wenn ich wollte oder müsste, könnte ich da ohne Probleme einen Hauptjob raus machen. Aber jetzt mache ich halt was anderes. Deswegen geht das gerade nicht. Aber man weiß ja nicht, was wird. Man hat so mehrere Bälle im Rennen. Die Methoden, die ich einsetze, sind halt die professionellen Methoden. Und dann gucke ich halt, was ist jetzt gerade interessant, was ist wichtig, was bewegt die Stadt. Und den Geschichten gehe ich dann nach.
Uwe Martin [00:14:05]:
Genau, aber du machst überhaupt keine aktuelle Berichterstattung. Das ist ja so ein Faden, der sich bei dir durchzieht. Warum?
David Schraven [00:14:11]:
Das ist unintressant. Das ist, weiß ich nicht, da kann ich nichts für. Das hat mit mir zu tun. Ich finde das nicht interessant. Also entweder mache ich was, wo ich was exklusiv habe, dann ist das aktuell, wenn ich jetzt schreibe, dann ist es eben dann aktuell. Oder ich will erklären, was die Hintergründe von was sind. Ich halte auch nichts von dieser, ich sage mal klassischen Tagesberichterstattung, Da glaube ich nicht so dran. Warum? Was willst du damit? Was ich tagesaktuell brauche, ist, Was findet statt? Wo findet was statt? Muss ich da hingehen, weil es interessant ist? Das ist halt aktuell. Dann brauche ich einordnende Berichterstattung. Also warum finden Sachen statt? Wie orientiere ich mich? Und das bedingt immer Recherche. Jetzt gibt es unterschiedliche Arten von Recherche. Das eine ist einfach nur einordnende Hintergrundsachen. Das andere ist eine investigative Recherche. Da gibt es dann wieder 5000 verschiedene Sachen. Bei einigen ist das auch so, du brauchst mehr einen Fakt, der existiert und dann Sichtweise darauf, dass du eine Orientierung zu dem Fakt hast. Aber nur den Fakt zu berichten, das ist ein bisschen wenig. Ich glaube, damit kommt man nicht weiter.
Uwe Martin [00:15:32]:
Ja, sehe ich genauso. Demokratisch wirksam zu sein, musst du die Hintergründe haben, musst du die Dinge rundherum haben, damit du eine Möglichkeit hast, dich zu bewegen.
David Schraven [00:15:46]:
Zumindest eine Einordnung musst du haben. Du musst wissen, in welchem Kontext steht der Fakt. Ich glaube, da ist das Mediensystem auch aufgebrochen. Das klassische lokale Mediensystem, das war einmal das, ich sage, reichweitengetriebene Geschäft. Da ging es darum, möglichst große Reichweiten zu erzielen, damit ich Anzeigen verkaufen kann. Auf der anderen Seite war das ein abogetriebenes Modell, worum ging, relevante Inhalte zu geben, für die Leute gerne Geld bezahlen. Das waren aber unterschiedliche Sachen. Für den einen war das die Sterbeanzeigen, für den anderen war das der Kleinanzeigenteil, für den dritten war das die Lokalberichterstattung. Davon ist viel weggefallen. Den kostenlosen Teil, also den Reichweitenteil, den kriege ich für taube Nüsse bei Facebook. Warum soll ich dafür bezahlen? Mach ich nicht. Wenn ich jetzt in der Tageszeitung gucke, berichtet genau an der Schwelle auseinander. Jetzt muss eine Tageszeitung eigentlich auf das gehen, was diesen Abo-Charakter ausmacht. Also dieses, das mir den Grund gibt, mich zu orientieren in meiner Gemeinde, wofür ich Geld zahlen will. Wo ich sage, ohne diese Information kann ich nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Und das sind in den allerseltensten Fällen reine Fakten, weil ich krieg für Tauben Nüsse auf Facebook.
Uwe Martin [00:17:04]:
Ja, genau. Du hast jetzt diese, Kaffeestand ist jetzt ja so eins, aber das ist ja eigentlich nur eine Weiterentwicklung oder der nächste Schritt. Davor hast du diese Geschichte gemacht, die auch im Bottrop war, auch an diesem Marktplatz mit der Apotheke. Kannst du darüber was erzählen, wie sich das entwickelt hat und was sich daraus entwickelt hat?
David Schraven [00:17:27]:
Dahinter steckt eine Erfahrung, die ich gemacht habe. Und zwar war ich Ressortleiter bei der WATZ, bei der Funke-Gruppe damals, damals hieß die WATZ-Gruppe, für Recherchen, für Investigatives nannte sich das. Und da war die Love Parade, ein Love Parade-Unglück. Und natürlich, das war in unserem Berichtsraum, war das für uns als Medium nötig, dass wir unter den ersten drei, vier Zeitungen liegen in der Berichterstattung. Ist klar, wir können bei so einem nationalen Ereignis nicht immer Erster sein in der Berichterstattung, aber Wir müssen ab und an Erster sein und ab und an können wir auch mal Zweiter oder Dritter sein, aber wir müssen immer unter der Gruppe sein, der ersten drei, vier, fünf Medien. So, und da habe ich einen großen Fehler gemacht. Ich habe mich total in diesen Wettbewerb reingestürzt, ich habe da Ziel erreicht, Aber in der Nachbetrachtung habe ich gemerkt, dass mein großer Fehler war, ich bin nicht dahin gefahren. Klar, ich war andauernd da, aber ich habe die Redaktion nicht dahin verlegt. Ich bin nicht mit meinen ganzen Kollegen dahin gegangen, nach Duisburg, habe mich neben das Ding gesetzt und gesagt, hier bin ich, ich will alles wissen, was hier passiert ist. Wir als Berichterstatter, ihr seid die Quellen, gebt uns eure Informationen. Und das hat mich sehr lange beschäftigt. Weil das hätte, wenn das nicht in den anderen Bereichen so gut geklappt hätte, hätte das für so eine Zeitung Ruin bedeuten können. Wenn man da verkackt hätte, wäre unter den ersten Zehn gewesen, wäre die Zeitung irrelevant geworden, die Leute hätten keinen Grund mehr, die Watt zu kaufen gehabt, Abo-Einbrüche wären die Folge gewesen. Und weil mich das so beschäftigt hat, habe ich beim nächsten Mal, als ich das erlebt habe, als der Fall war mit der alten Apotheke, ziemlich schnell klar gehabt, dass wir da rein müssen. Und rein heißt halt nicht, wie ein Helikopterjournalist, 14 Tage da reinfahren, deine Geschichte machen, weiterfliegen. Sondern wir müssen eine Redaktion eröffnen. Direkt neben der alten Apotheke, wo der Apotheker Tausende von Krebsmitteln gepanscht hat. Wir müssen dann Ansprechpartner sein für Opfer, für Quellen, für alles. Wir müssen ganz deutlich sagen, was wir wollen. Wir wollten alles aus der Apotheke haben. Einfach alles. Alle Rezepte der letzten zehn Jahre, die ganze Buchhaltung der letzten zehn Jahre, alles. Und dann, wenn wir Leute befragt haben, wenn wir Quellen brauchten, Experten brauchten, haben wir die in die Redaktion eingeladen und haben die Redaktion geöffnet für die Menschen, die da waren, für Opfer, für Interessierte, für Familienangehörige von Opfern. Und Daraus ist dann nach und nach eine Bewegung entstanden. Da haben sich Leute zusammengetan. Da waren nachher Demos in der Stadt mit 500, 700 Leuten. Das war eine große Bewegung. Die hat dann nachher auch zu einem großen Erfolg geführt. Es gab einen Entschädigungsfonds für alle Opfer. Was das so bei solchen Skandalen auch noch nicht gab. Und das war sehr gut. Und da haben wir gemerkt, dass der Weg der richtige ist.
Uwe Martin [00:20:38]:
Wie muss man sich das vorstellen, wenn du sagst, du hast die Redaktion daneben verlegt? Was konkret? Wie sah das aus?
David Schraven [00:20:44]:
Ich habe ein Ladenlokal daneben gemietet, habe den leer geräumt, habe Schreibtisch ins Fenster gestellt, habe die Türen aufgemacht und gesagt, wir arbeiten jetzt hier bei offenen Türen. Teilweise haben wir die Schreibtische in die Fußgängerzone gestellt.
Uwe Martin [00:20:56]:
D.h. Man kam an euch gar nicht vorbei?
David Schraven [00:20:58]:
Nö. Das war Luftlinie, 2 m neben der Apotheke.
Uwe Martin [00:21:05]:
Und der Apotheker hat sich gefreut?
David Schraven [00:21:07]:
Der war im Knast, aber die anderen Leute, die da gearbeitet hatten, die haben dicke Augen gemacht. Da war auch ziemlich viel Ärger, klar. Aber war ja auch ein großes Verbrechen.
Uwe Martin [00:21:20]:
Und jetzt hat sich ja aus dieser Geschichte, wenn ich das so richtig weiß, dann gleich die nächste entwickelt. Wie kam das zustande?
David Schraven [00:21:27]:
Das war so, wir haben uns überlegt, wo die Motivation herkommt. Wieso kann ein Mensch tausende Krebsmittel punchen, komplett emotionsfrei. Er hat Menschen, zumindest hat er es hingenommen, dass Menschen in den Tod gingen. Wie kann man das machen? Wie kann man als Apotheker so vor gegen Eid brechen? Da war eine Arbeitshypothese, die wir hatten, dass es sein könnte, dass das Urvertrauen von dem Menschen zerstört ist. Wie kann das sein? Da war eine Arbeitshypothese, der war katholisch, vielleicht ist sie in Missbrauchsskandal verwickelt worden. Das war eine Arbeitshypothese. Dann haben wir angefangen diese Arbeitshypothese zu überprüfen für den Zeitraum, in dem wir in der katholischen Kirche unterwegs waren und haben wir tatsächlich einen Missbrauchsskandal gefunden mit einem Priester, der damals da war. Wir haben herausgefunden, dass der Priester teilweise die Kinder, die er vergewaltigt hat, weitergegeben hat an seinen Nachfolgepriester. Wir haben herausgefunden, dass es da eine Art Kinderbordell gab, auch an dem Marktplatz übrigens. Und die Spur dieses Priesters konnten wir dann bis zum Papst Benedikt verfolgen.
Uwe Martin [00:22:39]:
Der ihn dann einfach nur weiter geschoben hat oder auf andere Posten als was rauskam oder wie?
David Schraven [00:22:45]:
Genau, der hat dann den berühmten Traubensaftbrief geschrieben. Der hat dann geschrieben, da passiert ja nur, wenn er besoffen ist, dann gib ihm halt Traubensaft. Also jetzt paraphrasieren. Das hat dann der Ratzinger unterschrieben und an den Bischof geschickt. Und dann war gut.
Uwe Martin [00:23:03]:
Das ist schon krass, was an so einem Marktplatz, an Weltgeschichte passiert.
David Schraven [00:23:07]:
Ja, meine These ist, das passiert an jedem Marktplatz, bloß da gibt es relativ wenig Kaffeewagen auf dem Marktplatz, die von Journalisten betrieben werden.
Uwe Martin [00:23:15]:
Also der Kaffeewagen ist sozusagen das zentrale Recherche-Instrument?
David Schraven [00:23:21]:
Genau, weil da alles zusammenkommt. Da kommen unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Religionen, alle. Und wenn du alle hast und mit allen reden kannst und offen bist und einfach nur da bist, dann passieren Dinge.
Uwe Martin [00:23:36]:
Das ist ja eigentlich fast wie so eine Art Designintervention. Im Design benutzt man das sehr viel, dass man sagt, ich baue da irgendwie was hin. Ich baue ein bestimmtes mobiles Fahrrad oder so was, eine mobile Küche, um damit mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Wie bist du da so drauf gekommen? Das lernt man ja nicht an der Journalistenschule, so ein Kram.
David Schraven [00:23:56]:
Nee, beim Kaffee. Nee, wirklich, mich interessiert das. Und ich hab auch, das ist auch, glaube ich, was ein bisschen anders ist, ich mach das ja nicht, zu, also ich mach das nicht um zu irgendwas zu erreichen. Ich mache das, weil ich das machen will. Ich mache den Kaffeewagen, ich würde den auch machen, wenn ich da kein Produkt draus machen würde. Ich würde den Kaffeewagen auch machen, wenn ich da einfach nur sitze und Kaffee trinke. Das ist für mich ein Ziel. Nur wenn ich dann eine Weile da sitze und meinen Kaffee getrunken habe, dann denke ich, was kann ich denn noch machen. Und dann sehe ich die Kirche gegenüber und dann denke ich mir, wie geil wäre das, wenn wir da eine Leinwand dran bauen und dann hier Kino gucken. Und dann denke ich, warum gehe ich nicht rüber und frage mal. Und dann sprichst du mit den Leuten und dann geht das. Dann kann man da eine Leinwand dran bauen. Und jetzt haben wir ein Sommerkino in der Stadt, direkt an der Kirche und gucken da Filme, gute, oder Dokumentation. Und so ist das. Dieses Umzu, ich glaube, das ist das Problem, weil dann merken die Leute, dass du das nicht ernst meinst. Den Kaffeewagen, wir meinen das ernst, wir kommen bei Wind und Wetter, wir kommen seit Jahren, Wir sind da. Und diese Verlässlichkeit, das ist auch was, was auszeichnet. Wo dann die Leute sagen, ja, da kannst du vertrauen. Die machen das halt nicht nur, wenn es schön ist. Die machen das nicht nur, wenn sie irgendwas hinterhergeschmissen kriegen. Die kommen auch, wenn es schwierig und dreckig ist. Und dann baust du mit der Zeit dieses Kernteam eine ziemlich große Gruppe auf, die dich unterstützt. Da kann ich eine Anekdote erzählen, die fällt mir gerade ein. Wir haben Tische und Stühle für den Kaffeewagen, damit die Leute da sitzen können. Das ist sehr schön. Da kommen immer so 100 Leute hin, jeden Samstag. Das ist einfach nett. Dann hat die Stadtverwaltung, da ist halt ein Typ in der Stadtverwaltung, der leitet halt diese Abteilung, die für Marktwesen zuständig ist. Und der hat enorme Probleme in seiner Verwaltung. Also mit den Untergebenen, da ist Streit, da gibt es Vorwürfe, also richtig Theater. Natürlich schreibe ich darüber. Jetzt ist das aber der Typ, der den Markt macht. Aber Ich lasse mich nicht korrumpieren von gar nichts. Und deswegen schreibe ich trotzdem darüber, auch wenn der die Regeln für den Markt machen kann. So, was macht der? Der sagt dann irgendwann, die Gebühren für die Marktstellung werden verändert. Wir sollen mehr Geld zahlen für unsere Tisch und Stühle, die wir aufbauen. Da sag ich, nee, mach ich nicht. Und dann unterhalten wir uns mit denen und sagen, also ja, so ist das. Du musst damit klarkommen. Es gibt Kritik, die wird geäußert, du kannst dazu was sagen, Aber das sehe ich unabhängig von irgendwelchen Marktstellgebühren. Diskussion zuerst intern, Ende vom Lied ist, die wollen ihre Position nicht aufgeben. Und dann haben wir gesagt, okay, wir machen jetzt alle Stühle weg. Nun gibt es halt keine Stühle mehr. Wir werden uns nicht beugen. Zur Not wird der Kaffeewagen untergehen. Das ist dann auch egal. In dem Punkt kommen die Leute mit eigenen Stühlen. Setzen sich dahin, einfach davor und bringen ihre Stühle mit und sagen, kommt doch. In dem Augenblick hast du die Macht in der Stadt gebrochen. Was sollen die denn machen? Gar nichts. Und das ist halt das, was so etwas auszeichnet. Da kommen die Leute und das unterstützen die auch.
Uwe Martin [00:27:27]:
Wann ist das Ganze losgegangen? Also seit wann macht ihr das? Und was für wesentliche Veränderungen hast du seitdem gesehen?
David Schraven [00:27:34]:
In Bottrop? Ja. Also wir machen das seit 2020, also jetzt viertes Jahr. Wir haben viel Niedergang gesehen. Wir müssen erleben, dass halt dieser Wandel der Idee, die Übernahme der Idee in ein städtisches Verhältnis hat halt bis dieses Jahr gedauert, vier Jahre gedauert, bis sie gesagt haben, okay, sie akzeptieren das. Fängt ganz am Anfang an. Wir haben gesagt, wenn wir was Neues wollen, müssen wir einen neuen Namen finden. Wir müssen halt was Frisches nehmen, was die Leute mitnimmt. Lass uns Marktviertel nehmen. Marktviertel ist eine Definition von einer Stadt, wo ein Markt ist, da ist eine Stadt. Und das muss unser zentrales Anliegen sein. Wir müssen den Markt herum aufbauen. Da hat die Stadt gesagt, nee, wollen wir nicht, das ist nicht unsere Idee, wir sind ja Hansa. Hansa, Bottrup ist Hansa. Und dann denkst du halt so, Hansa ist vielleicht Rostock oder eine Hansestadt, aber nicht eine alte Bergbaustadt im Ruhrgebiet, das kannst du vergessen. Bis sie davon abgelassen haben und gesagt haben, ja, so ein Markt mit frischen Früchten, Das ist halt das, wo man in Zukunft hingehen kann. Das hat vier Jahre gedauert. Und zwischendurch sind alle Ideen in der Stadt kaputt gegangen. Also alle Ideen, wo halt dran gedacht worden ist, von oben Top-Down-Sachen zu lösen mit fremden Investoren. Also de Velo, der erste Riesenskandal, der zweite Riesenskandal mit der Fakt AG. Einfach Pläthiers, die Augenwischerei betrieben haben, die Kredite im Endeffekt geplündert haben. Also Millionen Kredite. Eine ganze Straße, eine zentrale Straße, eine 1A-Lage, die ist kaputt gegangen. Und wir haben gemerkt, dass es immer weiter darum geht, den Kern irgendwie zu erhalten. Und wir sind halt lange Zeit die Einzigen gewesen, die das versucht haben, als Einzelkämpfer, das stimmt ja nicht, sondern so als Community. Und jetzt wird aber immer klarer, dass das der Weg ist und daraus entstehen jetzt wieder neue Dinge.
Uwe Martin [00:29:47]:
Das heißt, jetzt kommt die Stadt auch so ein bisschen zurück. Also das belebt die Stadt dann dort auch?
David Schraven [00:29:52]:
Also wir sind die einzigen, die richtig beleben. Und das merken die jetzt. Und jetzt werden auch darum die Ideen aufgenommen, eigene neue Konzepte gemacht. Aber das das gelöst ist das Problem, da sind wir weit, weit, weit, weit von entfernt.
Uwe Martin [00:30:07]:
Ja, Bottrop ist dann auch nicht gerade irgendwie so das Paradies schlechthin.
David Schraven [00:30:12]:
Das ist einer der schlechtesten Städte Deutschlands. Es ist übrigens auch noch was Interessantes, da kriegen wir auch viel mit, was so Dynamiken in Deutschland gerade ausgelöst werden. Du hast halt in Ostdeutschland jetzt eine hohe Wählerquote bei der AfD. In Bottrop hast du im nördlichen Ruhrgebiet Jahrzehnte den Soli bezahlt. Dann guckst du darüber, die Straßen sind super, unsere Straßen sind im Arsch. Und auf dem Markt wird darüber diskutiert, was wollen wir eigentlich mit denen. Und dieses Verhältnis, was man den Ossis nachsagt, dass sie sagen, diese Abwehrhaltung gegenüber dem Westen, die entsteht gerade bei uns gegenüber dem Ost. Und zwar sehr aggressiv. Das sind Sachen, die kriegst du mit, wenn du auf den Markt stehst.
Uwe Martin [00:31:03]:
Die würdest du so nicht mitkriegen. Krass. Ja. Krass, weil da fällt ja viel auseinander. Und ihr macht das Gegenteil davon. Ihr bringt zusammen.
David Schraven [00:31:11]:
Wir versuchen zusammenzubringen. Wir versuchen mit den Leuten zusammen irgendwie eine gemeinsame Sprache zu finden. Eine Sprache zu finden, auch nicht in der Polarisation, sondern in der Betonung des Gemeinsamen. Aber es ist halt auch sehr schwer.
Uwe Martin [00:31:31]:
Jetzt würde ich gerne, glaube ich, noch über ein anderes, weiteres Thema in diesem Zusammenhang reden, um es so ein bisschen so im Rahmen zu geben. Du hast ja auch noch eine Jugendredaktion, oder ihr habt auch noch eine Jugendredaktion aufgebaut. Was hat es damit auf sich erstmal?
David Schraven [00:31:51]:
Also eine Sache, die mir auch aufgefallen ist, auch schon vor etlichen Jahren, du hast in der Art, wie Journalismus gemacht wird für Jugendliche, hast du halt die Jugendlichen vergessen. Und du machst das halt für interessierte Leute, aber nicht für Uninteressierte. Damit du eine Gesellschaft zusammenhältst, musst du aber dahin gehen, wo es schwierig ist, kompliziert ist, wo die Leute halt nicht einfach so aus freien Stücken mit einem reden. Und das haben wir halt damals gesehen. Für mich war das so ein Eröffnungsmoment, so ein Aha-Moment. Da habe ich eine Diskussion gesehen, irgendwo in der Stadt. Da hat ein Jugendlicher darüber geredet, dass endlich die Gewerbesteuern runtergebracht werden müssen, damit die Unternehmen mehr Geld verdienen, damit die Auszubildende einstellen können. Weil der hat einen Ausbildungsplatz gesucht. Und der Jugendliche hieß Ali. Und da habe ich mir gedacht, Mensch, das sind politische Gedanken, das hört aber keiner, weil sich nie einer mit dem Ali beschäftigen würde, was der zur Gewerbesteuer im Bottrop zu sagen hat. Und dann habe ich gedacht, wir müssen das irgendwie hinkriegen, dass wir an die Leute rankommen. Und das geht halt mit einem Jugendding. Dann haben wir gesagt, oder habe ich damals überlegt, einen Text zu machen. Also dass man sagt, wir machen eine Jugendredaktion und ihr schreibt was. Das ist eine Riesenhürde, Weil die meisten Jugendlichen eben nicht schreiben können, nicht schreiben wollen. Gerade die Jugendlichen, die aus prekären Verhältnissen kommen, die sind ganz, ganz weit vom Schreiben weg. Wenn ich also das als Hürde einziehe, kann ich mir darüber alles mögliche überlegen. Also was weiß ich, wie ich Grenzen aufhebe. Aber ich werde die nie erreichen. Aber reden können sie alle. Und dann machen wir halt ein Radio, auch nicht schlimm. Und ein Radio kannst du halt sehr einfach machen, aber auch mit viel Spaß machen. Und dann haben wir gesagt, da muss eine Redaktion drumherum. Eine Redaktion muss aber wie ein Abenteuerspielplatz sein. Da musst du Sachen haben, auf die du dich freust. Die darf nicht perfekt sein. Da muss Sachen müssen irgendwie, da muss immer was zu basteln sein. Da dürfen Sachen kaputt gehen, da dürfen Sachen aufgebaut werden. Aber das muss doch was sein, wo du stolz drauf sein kannst. Und das haben wir dann gebaut über ein paar Jahre. Und dann haben wir dafür gesorgt, dass wir in die Schulen reinkommen, in die schwierigen Verhältnisse reinkommen, dass wir Workshops anbieten, da wo es wehtut, da wo es dreckig ist. Und so Menschen zusammenbringen aus privilegierten Haushalten und aus unterprivilegierten Haushalten. Aus bildungsnahen, also hochgebildeten Haushalten mit Leuten, die gar keine Bildung haben sich herum. Aus allen Religionen. Und erst dann entsteht eine Vielfalt. Wenn man so was macht, nur für Unterprivilegierte, was macht man damit? Man schafft quasi nicht ein Ghetto oder so. Nein, das finde ich ganz schlimm. Sondern du musst die Leute zusammenbringen. Und eben von unterschiedlichen Hintergründen. Und das ist halt unheimlich kompliziert. Mir hat damals ein Satz von der Anna Meyer, die hat damals bei uns gearbeitet, die ist nachher zur Zeit gegangen, der ist mir halt total im Kopf hängen geblieben, als die über die Armen geschrieben hat. Da hat die gesagt, die besser Angezogenen kümmern sich Leute, die es ein bisschen ekelig finden. Das ist jetzt nicht wortwörtlich, aber dieses ekelig finden, das ist halt wortwörtlich. Und das finde ich halt interessant, weil da so viel Wahres dran ist. Die Leute, die sich für sozial halten und sozial einsetzen, die ekeln sich oft vor den Menschen, mit denen sie sich eigentlich solidarisieren wollen. Das sind dann die Leute, die, Weiß ich nicht, billig Fleisch auf den Grill hauen, dabei eine Pulle Bier trinken und rauchen. Die sind halt nicht vegan. Aber wenn du was ändern willst, dann musst du zu den Leuten. Du musst mit denen sprechen. Du musst gucken, was haben die denn für Nöte und Sorgen. Du darfst sie nicht eklig finden, du musst sie in Ordnung finden. Du musst mit denen Spaß haben. Das hat mich extrem bewegt. Das ist der Grund, warum wir die Jugendredaktion ausgebaut haben. Jetzt haben wir da viele Mitstreiter gefunden. Die ist mittlerweile in Bottrop, Essen, Dortmund, Kreiswald, Hamburg. Jetzt machen wir Chemnitz auf. Da werden wir im Laufe der Zeit bestimmt 20 Standorte in Deutschland öffnen. Und dann bringen wir die Jugendlichen aus ganz Deutschland zusammen. Wir machen jetzt schon Ferienfahrten aus dem Ruhrgebiet nach Norddeutschland, nach Greifswald. Und dann kannst du die jugendlichen Heimat erleben lassen und dann veränderst du das Denken von Menschen. Und da ist jetzt wieder wichtig, wie ist deine Wirkungslogik. Meine Wirkungslogik ist nicht, dass ich 100.000 ändern will. Meine Wirkungslogik ist, ich will dem Individuum eine Chance geben, dass es sich entwickeln kann. Und was daraus entsteht, das weiß man nicht. Also der Ali, von dem ich gerade gesprochen habe, was könnte denn werden, wenn so ein Ali sich weiterentwickelt, Professor für irgendwas wird und nachher die neue Glühbirne erfindet. Das ist eine größere Wirkung, als wenn ich jetzt irgendwas anderes mache. Und das ist die Wirkungsgeschichte, die ich sehe. Und die Erfolge können wir vorweisen. Wir haben bei der Jugendredaktion jetzt eine Absolventin gehabt, die ist von der Jugendredaktion als 19-Jährige direkt ins Volontariat beim ZDF gegangen. Und die Zeit bei der Jugendredaktion wurde ihr anerkannt als Bachelorstudium. Die ist direkt mit 19 ins Masterstudium gegangen. Geil. Ja, das geht.
Uwe Martin [00:37:28]:
Wow, super. Wie muss ich mir das vorstellen? Du bist dann da hin zu den Jugendlichen oder was und hast gesagt, ey komm, wir machen jetzt mal zusammen was aus. Du lieber, Ali oder Hans oder wer auch immer.
David Schraven [00:37:40]:
Nein, ich hab das gesehen und das hat mich beschäftigt und ich hab überlegt, was ist das? Und das geht dann im Kopf rum, Das war nicht so von einem Tag auf den anderen, sondern das hat ein paar Tage gedauert, ein paar Jahre. Und dann habe ich überlegt, wie man das machen kann. Dann habe ich gedacht, okay, ich versuche mal, einen von den Leuten, das war so ein Paar, zu uns reinzuholen. Das war aber super kompliziert, weil Er hatte keinen Schulabschluss. Er war Lkw-Wäscher. Ich wollte, dass er bei uns arbeitet. Ich habe ihn aus der Lkw-Wäsche verpflichtet. Ich habe ihm gesagt, du kannst bei uns ein Volontariat machen.
Uwe Martin [00:38:16]:
Das war der Ali? Nein, das war ein anderer. Wie hast du diesen Menschen gefunden?
David Schraven [00:38:22]:
Der war aus der Gruppe rund den Ali.
Uwe Martin [00:38:25]:
Ok
David Schraven [00:38:25]:
Den habe ich gesehen und wusste, dass es den gibt. Der ist talentiert, der kann was. Aber weil er Tschicksal ist, hat er den in die Lkw-Wäsche gespült. Dann habe ich gesagt, komm zu uns. Dann ist das erst mal eine Aufgabe, Arbeitsweise beizubringen. Dann hat er erst mal ein Praktikum gemacht. Und dann halt ein Volontariat. Und in der Zeit mit dem Volontariat habe ich mit dem das Konzept für die Jugendredaktion aufgebaut. Und der hat dann die erste Jugendredaktion geleitet, hat dann den nächsten Schritt gemacht. Und so wächst das immer weiter. Und das geht halt immer die Menschen, immer das Individuum, nicht um die Masse.
Uwe Martin [00:39:06]:
Also das heißt, der spricht dann die Jugendlichen an, die jetzt hier reden?
David Schraven [00:39:09]:
Der hat dann damals die Jugendlichen angesprochen, der hat dann das weitergeführt. Ich kann das nicht machen, ich bin zu alt. Ich hatte ja nachher für einen Kinderschein. Ich habe denen gesagt, nee, das müssen Jugendliche machen, aber ich kann dafür sorgen, dass ich junge Leute beschäftige, die das können.
Uwe Martin [00:39:22]:
Also du schaffst da wieder, wie auch auf diesem Marktplatz oder mit dieser Redaktion eine Anlaufstelle, ein soziales Gefüge oder so, wo dann Sachen passieren können.
David Schraven [00:39:33]:
Genau.
Uwe Martin [00:39:34]:
Wie ist das jetzt anders? Also jetzt würden viele Kollegen wahrscheinlich argumentieren, was hat das mit Journalismus zu tun? Ist es das eigentlich? Ist das nicht Sozialarbeit oder so? Was ist das für dich so?
David Schraven [00:39:43]:
Für mich spielt das alles keine Rolle. Für mich ist das… Die Menschen brauchen Schubladen, in die sie Sachen reinstopfen können. Aber ich muss nicht in die Schublade springen. Mit der Jugendredaktion, was so spannend ist. Du erlebst halt, wenn du den Jugendlichen die Chance gibst, selber zu berichten, erlebst du andere Geschichten, andere Arten von Berichten. Du erlebst eine viel unmittelbare, hochqualitative Arbeit. Und wenn die anderen erzählen von Talenten, die sie suchen, so ja, ich suche keine. Also ich meinte jetzt gerade so im Sinne, wer bei uns Volontariat will, zu uns wollen die Leute kommen.
Uwe Martin [00:40:28]:
Also da stehen dann auch nicht nur die Gymnasiasten da, die sowieso in Journalismus wollen, sondern bei euch stehen die anderen?
David Schraven [00:40:34]:
Bei mir stehen eine ganze Menge, eine große Mischung an sehr interessanten Menschen.
Uwe Martin [00:40:39]:
Toll, was natürlich den Journalismus massiv verändert, den ihr dann auch raushaut, oder?
David Schraven [00:40:44]:
Genau, was viel verändert. Also zuerst mal in der Berichterstattung selber in der Jugendredaktion, aber dann geht das natürlich auch weiter. Das ist auch da, das ist kein Selbstläufer, sondern das ist der komplizierte Weg, das ist der lange Weg, das ist nicht der direkte Weg zum Ziel. Aber ich finde das halt viel bereichernder, viel kräftiger. Vielleicht ist da auch noch so ein Gedanke. Was mich auch sehr stark beschäftigt, ist die Frage, wenn die heute von Diversität in Redaktionen reden. Mir kommt das nicht so vor, als würde die Diskussion über ich will wirklich unterschiedliche Menschen haben, sondern mehr in der Assimilation legen. Ich will mehr Menschen zu meinem eigenen machen, zu meinem Abbild machen. Und das ist, glaube ich, der falsche Weg. Es muss darum gehen, mehr andere, Fremde zu ertüchtigen, dat zu machen, was sie machen wollen und dann zusammen zu diskutieren, Räume zu finden, in denen man sich auseinandersetzen kann. Ist unbequem, ist politisch total komisch, weil die Leute natürlich auch nicht die Ansichten haben, die man denkt, dass sie die haben. Das sind halt alles eigene Menschen.
Uwe Martin [00:41:56]:
Wie alt sind die Jugendlichen und was passiert mit denen, wenn sie da plötzlich reinkommen Und plötzlich anfangen damit zu arbeiten, so in den ersten Monaten oder so. Was passiert dadurch bei denen?
David Schraven [00:42:06]:
Ach, das ist so super unterschiedlich. Viele fangen einfach nur an, schnuppern rein, machen ein bisschen, machen was anderes, sind halt Jugendliche. Ein paar bleiben dabei, steigen ein. Dann hast du ein paar Hochengagierte, denen geben wir Jobs. Ich finde auch Praktika scheiße, deswegen geben wir den Leuten Jobs oder den Jugendlichen auch Jobs. Und dann können die bei uns mitarbeiten, werden ernst genommen Jugendreporter und machen Sachen. Machen Geschichten, entwickeln eigene Geschichten. Das sind mittlerweile, ich weiß nicht genau, ich glaube so 100 Jugendreporter. Und dann erleben die ihre Welt, machen Abenteuer. Wir haben jetzt eine Kulturredaktion zum Beispiel, eine Jugendkulturredaktion, die fahren dann auf Festivals, was Jugendliche eh machen sollten, ihre Welt zu entdecken. Und dann erzählen die halt drüber für andere Jugendliche, Das ist gut.
Uwe Martin [00:43:02]:
Hat das was mit Selbstwirksamkeit zu tun für die Leute? Willst du darüber was erzählen? Was steckt dahinter? Was sind da so Erlebnisse?
David Schraven [00:43:12]:
Klar, Selbstwirksamkeit ist total wichtig. Das Gefühl ernst genommen zu werden ist total wichtig. Das Gefühl rauszukriegen, was passiert in meiner Stadt. Was will ich eigentlich von meiner Stadt? Was kann ich denn ändern, damit das so wird in meiner Stadt, wie ich das haben will? Finde ich eine super spannende Reise. Und die machen Jugendliche. Eine der ersten Fragen, die wir stellen in der Redaktion ist, was findest du denn richtig schön in der Stadt? Dann erzählen die, machen daraus einen Podcast. Dann sagt man, was stört dich denn richtig in der Stadt? Dann machen die daraus einen Podcast. Dann sagt man, wer ist denn dafür verantwortlich, was dich stört in der Stadt? Frag doch mal den, was der da machen kann. Dann gehen die irgendwo hin und sagen, hier, weiß ich nicht, der Skatepark, der ist dreckig. Kannst du da was ändern? Dann fragen die die Leute und gucken sich das an, was da passiert. Dann passieren wieder neue Dinge. Und dann merken die mit einem, ey, wir können was ändern. Der Skatepark ist sauer. Wir haben nur vernünftig gefragt, haben mit den richtigen Leuten gesprochen, Skatepark ist sauer. Und dann beginnt was in den Köpfen sich zu verändern. Da zum Beispiel haben sich jetzt so zwei, die nennen das Schülergewerkschaften gegründet. Einen in Essen, einen in Bottrop. Und die haben dann in relativ kurzer Zeit sich Jugendräume geschaffen. Da sind jetzt in der einen, glaube ich, so 200 Jugendliche organisiert, in der anderen weiß ich das nicht genau, auch so 100, 150. Und die schaffen sich eigene Räume. Das hat mit uns nichts mehr zu tun. Die haben bloß bei uns gelernt, dass es geht. Dass du Sachen fordern kannst, dass du dich organisieren kannst, dass wenn du organisiert bist, Dinge umsetzen kannst, die vorher undenkbar waren. Und das sind so Wege, Reisen, die die bei uns erleben können, wo die halt Selbstwirksamkeit erleben. Und jetzt stell dir vor, einer, der vorher keine Sprache hatte, entdeckt die Sprache, macht so eine Reise durch, erlebt, was er verändern kann. Und dann geht der nachher in den Landtag und leitet dann im Landtag irgendwann das Ministerbüro oder Fraktionsvorsitzendenbüro in diesem Falle. Das geht.
Uwe Martin [00:45:20]:
Und dann verändert sich die Gesellschaft.
David Schraven [00:45:22]:
Dann verändert sich die Gesellschaft. Die Leute können die in die Hand nehmen.
Uwe Martin [00:45:27]:
Also ist das, was ihr macht, ganz stark so Demokratieförderung oder Gesellschaftsförderung oder sowas?
David Schraven [00:45:32]:
Genau, ich sehe, für mich ist das der Kern des Journalismus. Das ist halt total interessant. Das ist eigentlich immer das, was man implizit hat im Journalismus. Man denkt das ja immer so. Aber es ist auch explizit so. Wir können als Journalisten, wenn wir unsere Methoden offenlegen, jedem zur Verfügung stellen, können wir unfassbar viele Menschen ertüchtigen, am demokratischen Prozess teilzuhaben. Und das ist ein großer Wert und den wollen wir teilen. Und auch da spielt nicht so eine große Rolle, wie man das macht, wo man das macht, Hauptsache man macht es.
Uwe Martin [00:46:06]:
Wie passiert das, dass du dauernd so geile Ideen hast? Also du hast ja jede Menge davon,
David Schraven [00:46:12]:
wie kommt das? Kann ich sogar einigermaßen beschreiben, weil ich nicht in Produkten denke. Ich weiß gar nicht, wo das herkommt, aber ich denke in Optionen. Das hat auch mit dem Stil der Recherche zu tun, den ich mache. Ich denke nicht darin, was ich wissen will, sondern in welche Optionen bringe ich mich, was zu erfahren. Und so versuche ich mich immer dahin zu bewegen, dass ich für mich neue Optionen eröffne. Wenn ich halt was mache, will ich nicht ein Ziel erreichen. Wenn ich ein Buch schreibe, will ich kein Buch schreiben, sondern ich will dann mir eröffnen, dass ich danach was anderes machen kann. Und dieses danach sehe ich nicht fest. Ich sehe nur Nebel, der sich immer weiter lichtet. Und in dieser Lichtungsphase, wenn der Nebel wegzieht, wenn die Konturen ausformulieren, da bin ich flexibel. Und dann sage ich, so ist nicht, so funktioniert. Und dann bin ich halt gnadenlos pragmatisch, wenn das aus dem Nebel auftaucht, nehme ich das, was funktioniert und nicht das, was ich gerne hätte. Und so wird dann halt aus dem, was ich vorhin gesagt habe, mit diesem strategischen, wird dann so nach und nach das taktische Ziel. Und so kommst du halt auf genug Ideen. Also du musst ja nur wissen, in welche Richtung du willst. Nehmen wir das an mit der offenen Gesellschaft. Da habe ich ein Buch darüber geschrieben, was ich will. Ich will eine Gesellschaft, in der alle Leute mitreden können, in der die Leute selbst ertüchtigt sind, in der Gemeinschaft gefunden wird, in der Probleme erkannt und gelöst werden. Wenn ich das will, das ist das, was im Nebel im Weiten ist, dann entsteht daraus die Reporterfabrik, dann entsteht daraus, weiß ich nicht, jetzt Booktalk vom Cordt, Daraus entstehen tausend Sachen. Und dann ist das so, ich muss das ja nicht selber machen, ich muss ja nur die Optionen eröffnen, dass andere das machen können. Also ist mein Job, mein Ding einfach nur den Nebel zu beschreiben, den Weg im Nebel so ein bisschen zu erahnen und sobald das Konturen gibt abgeben, gucken wer kann was machen, wo kann man abmachen. Und dann ist das überhaupt kein Akte. Deswegen habe ich auch keine Angst davor, wenn Ideen geklaut werden. Ja gut, scheiß drauf, habe ich eine neue.
Uwe Martin [00:48:32]:
Also du bist eher so ein Ideenmensch oder bist du dann auch der Umsetzer?
David Schraven [00:48:40]:
Das ist das, wo ich ein bisschen Glück habe auch im Leben. Ich versuche immer umzusetzen. Ich habe nicht nur Ideen Tourette, sondern ich gucke auch, was ist denn machbar. Auch da kann ich wieder aus diesem Optionalen denken. Wenn ich eine Idee habe, ist es oft so, dass ich die aufschreibe, dass ich so eine grobe Skizze davon mache. Mittlerweile habe ich dafür ziemlich genaue Pläne, wie das aussieht. So mit verschiedenen Fragen, die ich dann beantworte in dem Zustand der Idee. Ist das nur eine einfache Idee, dann sind da zwei Sätze. Ist das eine entwickelte Idee, dann sind dahinter schon mehrere Kapitel, ist eine entwickelte Idee, die halt ausformuliert ist, dann ist das ein Konzeptpapier und die packe ich in den Schrank. Da habe ich eine Datei, da lege ich die alle ab. Und dann kommt das beim Umsetzen darauf an, dass du jemanden findest, mit dem du das machen kannst. Das heißt, ich treffe Leute, unterhalte mich mit denen und mit einmal sehe ich, Moment, das könnte passen. Und dann habe ich da meine Ideenbibliothek, kann dann einer entwickelte rausziehen und sagen, komm, lass uns das machen. Und sehr häufig klappt das. Also, dass du dann genau die Menschen hast, mit denen du das umsetzen kannst. Und die Entscheidungsfindung in diesem kleinen magischen Moment, die ist sehr schnell. Also, das ist, weiß ich nicht, in der Regel drei, vier, fünf Minuten, dann weißt du das.
Uwe Martin [00:50:09]:
Ob die Person passt für deine Idee?
David Schraven [00:50:11]:
Ob die Person passt, ob die Intention dahinter passt, ob das Businessmodell passt. Und wenn dieser magische Funken kommt, dann ist das wie Metall verschmolzen. Dann hast du halt diesen Schmelzpunkt erreicht, dann ist es fest. Und der Rest sind Sachen, die man lösen kann. Also irgendwelche Probleme, die man aus dem Weg räumt. Sachen, die so nicht klappen, anders klappen. Ja, so läuft das. Kann ich vielleicht noch an diesem Beispiel von Publix gerade sagen, weil da fand ich das auch ziemlich interessant. Also die Idee haben wir aufgeschrieben gehabt, die Grundideen bei uns, bei Correctiv. Da haben wir darüber nachgedacht, was ist denn das Schönste, was es gibt. Was ist die Schokoladenfabrik im Journalismus? Und dann haben wir das aufgemalt und so unten muss das sehr offen sein, dass die Leute reinkommen. Dann muss man so Co-Working haben, dass man mit anderen zusammenarbeiten kann, so sehr flexibel. Dann Büros, dann muss das so und so aussehen. Und wir haben das gemalt auf einer Tapetenmatte, richtig bunt mit Farbstiften und sonst was. Und als das fertig gemalt war, da habe ich mir das nochmal angeguckt nachher und habe gedacht, das ist kein Bild von einer Schokoladenfabrik im Journalismus, sondern das ist ein Real Estate Development, das ist ein Immobiliengeschäft. Durch die verschiedenen Gewerke, die da reingezeichnet sind, Gastronomie, Studiobetrieb, Co-Working und so weiter, Vermietung, hast du halt einen gewissen Business-Faktor da drin. Das kannst du umrechnen. Du kannst das auf Quadratmeterpreise umrechnen. Wenn ich die Quadratmeterpreise umrechne auf die Investitionssumme, kann ich festlegen, wie viel Profit ich haben will. Wenn ich eine Niedrigzinsphase habe, in der ich mit Festanlage 2-3 Prozent pro eingelegten Euro verdienen kann, Und ich kann aber mit diesem Immobilienentwicklungsprojekt, was ich skizziert habe, drei oder vier oder fünf Prozent rausholen. Und dann nehme ich das noch aus einem Kapital, was ich als Impact Investment anlegen will. Dann ist das eine verdammt lukrative Sache. Und das habe ich dann einem Geschäftsmann vorgeschlagen, dem Schöpflin, und habe dem Schöpflin dazu erzählt. Und er hat das sofort verstanden und hat gesagt, ja super, machen wir. Und dann ist halt auch kein Problem, 20 oder 30 Millionen zu investieren, weil du weißt ja die Prozente, die zurückkommen in deinem Investment. Deswegen sage ich das auch so, das kannst du überall auf der Welt nochmal machen. Ich gehe davon aus, dass dieses Konzept als Immobilienentwicklungskonzept, ähnlich wie so ein anderes Konzept ohne Probleme auf der ganzen Welt wiederholt werden kann. Das ganze 40, 50 mal machen.
Uwe Martin [00:52:56]:
Ja. Du hast gesagt, das mit dem Kaffeewagen, Das könnte man mittlerweile überall machen. Da steckt ein Geschäftsmodell dahinter. Könntest du das kurz nochmal auf den Punkt bringen? Also was verdienst du damit im Moment und so weiter und so fort? Und wieso könnte das eigentlich jeder machen?
David Schraven [00:53:10]:
Also das Geschäftsmodell dahinter ist von der Idee rund den Kaffeewagen, diese Community-Arbeit rund den Kaffeewagen. Du hast im Journalismus immer einen Bereich, der querfinanziert worden ist. Das war Anzeigengeschäft, das war Reichweitengeschäft. Diese Geschäfte sind nicht mehr da. Machen wir einfach ein anderes Geschäft. Jetzt kann ich halt sagen, ich verkaufe Klamotten, damit Journalismus quer zu finanzieren, oder ich mache was, was diesen Kommunikationsraum erzeugt. Und Kommunikationsraum ist im Endeffekt alles, was rund die Gastronomie passiert. Kaffee ist halt einfach schnell sehr nah am Reden, sehr nah am Menschen, lohnt sich hervorragend für eine Quersubventionierung. Also die Margen im Kaffee sind halt enorm und wenn du dat gezielt angehst, es hat ein Bombengeschäft für Journalismus. Du erzielst ja durch deine Produkte, als journalistischen Produkte, die du machst, auch die Notwendigkeit für die Leute, da hinzukommen, wo sie ihren Kaffee kaufen können. Weil da wird ja diskutiert, da passieren ja die Dinge, da sind da mit einmal die Events, Da sind mit einmal die öffentlichen Debatten, da ist mit einmal das, wo das Theater ist. Dann kommen die Leute. Und ich glaube, wenn man das ordentlich macht, ist das auch schnell sehr profitabel.
Uwe Martin [00:54:28]:
Kannst du mal so eine Hausnummer nennen für Leute, die jetzt sagen, David hat coole Ideen, ich würde das jetzt gerne umsetzen in meiner kleinen Stadt?
David Schraven [00:54:34]:
Ich glaube, das kommt ein bisschen auf die Größe der Stadt an. Ich glaube, das funktioniert nicht in jeder Größe der Stadt und nicht in jeder Stadt. Aber wenn man eine geeignete Stadt hat, gehe ich davon aus, dass man Umsätze die 30.000, 35.000 Euro pro Monat hinkriegt und dass da überbleiben so zwischen 10.000 und 15.000 Euro.
Uwe Martin [00:54:54]:
Mit was für einer Investition?
David Schraven [00:54:57]:
Zwei ordentliche Kaffeemaschinen. Ich persönlich würde ja Moccamaster nehmen, die super sind. Die kosten relativ wenig, die sind richtig geil und da kriegst du einen Bomben Kaffee raus.
Uwe Martin [00:55:09]:
Also ein paar hundert Euro in die Hand nehmen, einen kleinen Kaffeewagen bauen und zack läuft die Redaktion. Also Arbeit und bereit sein zu schwitzen.
David Schraven [00:55:18]:
Eine Menge Arbeit, eine Menge ausprobieren, was der richtige Weg ist. Der ist ja auch in jeder Stadt anders. Kommt darauf an. Ich weiß auch nicht, ob für jede Stadt ein Kaffeewagen der richtige ist. Da kann auch wieder da was anderes sein. Kaffee ist wichtig. Ich habe Mocha-Tee probiert. Mocha-Tee ist nicht richtig. Trink nur ich. Aber das meine ich halt. Es kann alles anders sein. Und der Kollege aus Chicago, der das in der Kneipe gemacht hat. Geht auch. Also man muss gucken, wo ist der Ort, mit dem ich meine Community vor Ort kreiere. Aber du brauchst da keine großen Investitionen. Das ist totaler Quatsch.
Uwe Martin [00:55:58]:
Ist ein interessanter Punkt, weil du bist ja jetzt, du hast Correktiv gegründet, das heißt du hast mittlerweile, über viele Jahre aufgebaut, einen sehr großen Apparat zur Verfügung. Gute Finanzmittel, ein Riesenteam und so. Können das auch Freie oder kleine Lokalredaktionen oder so? Also wo und wie?
David Schraven [00:56:19]:
Ich bin auch nur wie alle anderen. Ich war auch jahrelang frei. Ich glaube, das kann jeder. Wenn ich das kann, kann das jeder. Ich kann nichts mehr wie andere. Ich glaube, den einzigen Unterschied, den es gibt, ist Erfahrungswissen und das zweite ist Energie und Leidenschaft. Ich habe ja auch nicht immer alles geschafft. Ich habe meinen ersten Verlag, den habe ich mit 17 gegründet, mit dem bin ich mit 18 pleite gegangen. Ich habe bei der TAZ gearbeitet, die TAZ Ruhr aufgemacht. Da hatte ich überhaupt keine Kohle. Da hab ich einfach nur gekämpft, geguckt, dass ich das hinkrieg. Und das hat ein paar Jahre gehalten, das war gut. Jeder kann das. Und das Entscheidende ist, dass man flexibel genug bleibt, dass man sich verändert, dass man sich den Gegebenheiten anpasst, dass man energisch genug ist, dass man einfach nicht aufgibt. Und dass man so mit der Flexibilität, mit der Energie und mit dem Kampfgeist die Lücke findet, in der man sich etablieren kann. Und sobald man das hat, muss man sich festkrallen. Und dann, auch das unterschätzen viele, ist das halt auch ein Lebenskampf. Da kommt keiner und schenkt dir irgendwas. Du musst dir jeden einzelnen Millimeter erkämpfen. Wenn du dieses Mindset hast und dazu bereit bist, dann kannst du so was durchsetzen. Ich persönlich glaube, dadurch, dass so viele lokale, regionale Zeitungen so viele Fehlentscheidungen getroffen haben, ist das im Moment eine Bonanza. Wenn du genug Energie mitbringst und Kampfgeist mitbringst, kannst du diese Lücken entdecken in vielen, vielen Städten.
Uwe Martin [00:58:02]:
Du musst dann nur reingehen und einfach anfangen.
David Schraven [00:58:03]:
Reingehen, kämpfen, gucken, wie es geht und dann flexibel genug sein. Für den einen ist das der Kaffeewagen, für den anderen eine Hekelgruppe. Was in den unterschiedlichen Gegenden richtig ist. Ich glaube nur, man darf nicht mit vorgefügten Stanzen reingehen und sagen, das ist das Modell, das setze ich um. Wenn ich halt sage, ich will nur schreiben und veröffentlichen und dafür Geld kriegen, dann wird nicht klappen. Das kann ich dir sagen. Aber wenn du reingehst und sagst, ich möchte hier für meine Community einen Wert schaffen, indem ich Kommunikation organisiere, mach et, das kann klappen. Und dann musst du gucken, was heißt das genau? Ist das Event? Mach ich Events? Ist das mehr, ich schreibe eine Geschichte? Ist das mehr, ich mache ein Flugblatt? Ist das mehr, ich mache, weiß ich nicht, einen Gebetskreis? Das kann alles Mögliche sein. Aber da kann ich mich mit Flexibilität mich durchsetzen.
Uwe Martin [00:58:58]:
Glaubst du denn, wenn du jetzt so Leute, die jetzt in Journalismus einsteigen oder da gerade so am Kämpfen sind. Und so gibt es ja wahnsinnig viele Freie, die wissen kaum, wie sie klarkommen sollen. Ist das das Ding, was du sagen würdest? Einfach dich konzentrieren auf das, was du erzählen willst? Oder was ist so der Kern, wo du glaubst, was ist die wichtigste Stellschraube, die die Leute halten?
David Schraven [00:59:22]:
Ich kann das nur aus meinem Leben sagen. Und in meinem Leben war das so Mir hat nie die Sonne da aus dem Arsch geschien. Aber ich hab das gemacht, was ich für wichtig fand. Und wenn ich das für wichtig fand, dann habe ich dafür alles gegeben. Dann habe ich keinen Feierabend nach acht Stunden gehabt oder so ein Kokolores. Ich habe teilweise tagelang von Lolli am Tag gelebt, weil ich keine Kohle mehr hatte. Aber du musst halt kämpfen. Und das ist halt das Entscheidende. Und wenn du halt erwartest, dass dir die Tauben in den Mund fliegen, dann wird das nicht klappen. Aber wenn du kämpfst und du verfolgst dein Ziel und bist dabei flexibel genug, dass du merkst, was ist denn hier genau mein Ziel? Wo verfolge ich denn jetzt mit Starsinn das Falsche? Wo muss ich meine Taube kappen, weil der Mast über Bord gegangen ist? Wenn du da flexibel bist, aber auf der anderen Seite entschlossen bist, dann geht das. Kann ich vielleicht nochmal so auseinanderhalten. Das eine ist im taktischen, da musst du halt in der Lage sein, alles zu verändern, was zu verändern werden muss. Im strategischen musst du dir vorher klar sein, in welche Richtung du gehst. Wenn du das hast, dann kommst du mit einem kaputten Boot nach Amerika.
Uwe Martin [00:01:13]:
Today I’m talking to David Schraven, the founder of CORRECTIV, the Reporterfabrik and Publix, the new house for journalism in Berlin. David has helped shape journalism in Germany over the past ten years more than almost anyone else.
David, you’ve somehow done an incredible amount, founded Korrektiv, founded a house and so on. Maybe we’ll talk about it later, but now you’re in coffee. Why is that?
David Schraven [00:01:15]:
It’s a long story and a short story. The short story is, if you think about it, what brings everyone together, no matter what background, no matter what religion, what unites everyone? Coffee. They all drink coffee. And if you want to bring people together, if you want people to talk to each other, put a cup of coffee down. Or beer. Beer is also good, but at least the Muslim world doesn’t go along with that. But it works too. Beer works too.
Uwe Martin [00:01:44]:
Und das hast du gemacht? Hast du eine Tasse Kaffee hingestellt? Oder was hast du gemacht? Die längere Geschichte jetzt mal dazu.
David Schraven [00:01:49]:
Genau, wir haben uns überlegt, also wir haben in meiner Heimatstadt gesehen, wie die Innenstadt verfällt, wie die kaputt geht. Und dann war halt halt Irgendwann die Frage, ob man weiter zuguckt und sich darüber beschwert. Und ich von meiner Lebensweise, von meinem Lebensweg hätte ja auch weggehen können. Hätte sagen können, ja gut, dann gehe ich halt da hin, wo es schön ist. Aber ich wohne halt da in Bottrop, kann ich nichts machen. Und dann habe ich gedacht, okay, zusammen mit den Kollegen, da müssen wir dafür sorgen, dass dat in unserer Stadt schöner wird und besser wird, dass wir eine Wende einleiten können. Und dann haben wir gesagt, wir bringen Menschen zusammen mit Kaffee, haben nen Kaffeewagen besorgt und haben dann ein ziemlich breites Konzept im Laufe der Jahre ausgerollt, wat nen Kaffeewagen hat, was mittlerweile Kinos hat, was Musikfestivals hat, was eine ganze Menge verschiedene Sachen zusammenbringt. Und alles wird zusammengehalten von dem Marktviertelbriefing, von einem Newsletter, den ich mache, wo heute die Diskussionen vorangetrieben werden.
Uwe Martin [00:03:00]:
Jetzt sagst du, da werden Diskussionen vorangetrieben, du hast so Leute zusammengebracht. Wie ist das entstanden? Du hast das mit so Leuten gemacht. Sind das Journalisten oder wer ist das? Wer hat das gemacht?
David Schraven [00:03:12]:
Bottroper. Ganz normale Leute. Also Leute, die ich kenne, mit denen ich gerne zusammen bin. Und dann entstehen halt, wie soll ich sagen, wenn einer aktiv wird, wenn man mit mehreren aktiv wird, dann entstehen Dynamiken. Also, wir haben dann andere Kollegen im Bottrop, die halt auch Sachen machen. Ein paar Kollegen haben eine Brauerei aufgemacht. Und diese aktiven Menschen finden sich und sagen halt irgendwann, wir müssen was zusammen verändern. Wir müssen eine Innenstadt, eine Stadt, ein Lebensumfeld verbessern. Und Ich kann schreiben. Dann habe ich gesagt, okay, ich schreibe. Das war mein Job mit dem Journalismus dabei. Ich kann aber organisieren. Da habe ich gesagt, okay, ich mache eine Firma auf. Und mit der Firma, mit den anderen zusammen, ziehen wir dann einen Laden auf. Und ein anderer kann halt gut einkaufen, der kauft halt Sachen für den Laden ein. Aber so kommen halt alle Dinge zusammen. Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinem Wünschen bringt sich da ein, macht Sachen und so entsteht halt so ein Konzept, was wir bei uns im Bottrop Markt-Viertel nennen.
Uwe Martin [00:04:16]:
Das heißt, das ist nicht aus dem Journalismus heraus entstanden, sondern die Idee war erstmal eine andere, oder?
David Schraven [00:04:21]:
Ne, also in meinen Augen ist das Journalismus. Und zwar geht es halt darum, wie bringe ich Menschen zusammen, wie organisiere ich Kommunikation und wie organisiere ich die Kommunikation so, dass daraus eine Aktivität entstehen kann. Ich will nicht vorgeben, welche Aktivitäten entstehen, aber ich kann organisieren, wie die Kommunikation strukturiert wird. Und das muss halt nicht sein, ich schreibe irgendeine Zeitung voll oder ich schreibe Zeilen oder ich mache einen Blog oder was auch immer. Kommunikation kann in tausend anderen Wegen laufen. Bei uns passiert das auch in Events. Wir machen Diskussionsveranstaltungen auf dem Marktplatz. Wir sind permanent ansprechbar. Wie gesagt, jeden Samstag bin ich normalerweise am Kaffeewagen, stehe da rum und erzähle mit Leuten. Teilweise kommen dann Leute, erzählen mir irgendwelche Skandale aus der Stadt. Daraus kann ich Geschichten machen. Teilweise geht es dann Informationen, wie sich die Stadt selber entwickelt. Und das, was wir erfahren, was ich erfahre, schreibe ich dann auf und sorge dafür, dass innerhalb dieser Gemeinschaft ein Kommunikationsraum entsteht.
Uwe Martin [00:05:30]:
Und das war von Anfang an die Idee davon, mit diesem Kumpel zusammenzukommen, den Kaffeewagen dorthin zu stellen, den Marktplatz zu beleben.
David Schraven [00:05:38]:
Genau. Die Kernidee war, wo ist der Hebel, wenn man eine Stadt im Niedergang umdrehen will. Also Wir haben ein Ziel. Wir machen das nicht nur so als Kunst für die Kunst, sondern wir haben ein Ziel. Und wir wollen unsere Heimat, unser Land, unser Erbe, wollen wir unseren Kindern hinterlassen, dass die da auch leben wollen, dass die das auch schön finden. Und Bottrop ist jetzt halt eine Stadt, die ist ziemlich gekniffen. Das war die letzte Bergbaustadt in Deutschland. Die ist wirtschaftlich unfassbar ruiniert. Wird seit, grob geschätzt, 2000 Jahren von der SPD regiert. Du hast halt einen zementierten Zustand, den man, um ihn zu verändern, aufbrechen muss. Aufbrechen heißt kommunikativ aufbrechen, diskursiv aufbrechen, in den Abläufen aufbrechen, in den Prozessen aufbrechen. Also du musst halt ganz viele verkrustete Strukturen aufbrechen. Und damit du das kannst, musst du halt einen Ansatzpunkt finden, für diesen Hebel der Menschen dazu befähigt, selber aktiv zu werden, sich selber einzubringen. Und der Hebel ist der Markt. Weil auf den Markt kommen die Menschen, auf den Markt reden die Menschen. Der Markt ist die Freiheit des Einzelnen. Angefangen von Preisen, die du verhandeln kannst, aber auch zu der Kommunikation, die du machen kannst. Da haben wir gesagt, da setzen wir an. Und von da aus entwickeln wir alles. Also entwickeln heißt den Kaffeewagen als Ort, den Kiosk als Treffpunkt, den Newsletter als Kommunikationsinstrument.
Uwe Martin [00:07:18]:
Spannend, weil das ja eigentlich so eine ganz altertümliche Art ist. Der Marktplatz war es ja schon immer so. Wieso gerade heute? Also wieso passt das jetzt so?
David Schraven [00:07:29]:
Du hast halt eine Abfolge von vielen falschen Entscheidungen. Über viele Jahre sind viele falsche Entscheidungen getroffen worden. Die Rolle, die wir einnehmen in Bottrop, ist die Rolle, die eigentlich ne Lokalzeitungen einnehmen. Also du schaffst den Diskussionsort, Du schaffst den Treffpunkt, den Austausch der Meinungen, den Austausch der Gedanken, den Austausch der Ideen und schaffst Gemeinschaft. Und aus der Gemeinschaft heraus organisierst du Diskussionen. Das ist Medium. Die Medien haben sich aber darauf verlassen in ihrer ersten arroganten Phase: „Die können uns alle nix, wir machen, was wir wollen.“ Und sind halt mit ihren Redaktionen aus den Innenstädten herausgezogen. Das ist ganz oft passiert. Dadurch haben die sich aus der Gemeinschaft entfernt. Das zweite war, die Redakteure von den Lokalzeitungen, also etliche Redakteure von Lokalzeitungen wollten nicht mehr da sein, wo ihre Communities sind. Die Redakteure sind aus dem Essener Süden in den Essener Norden gefahren, um zu berichten. In Bottrop kommen entscheidende Redakteure nicht aus der Stadt. Die kriegen Sachen mit, klar, aber die kriegen halt nicht die Strömung mit. Woher sollen die das wissen? Die stehen halt nicht am Fußballplatz nachts. Die stehen nicht, weiß ich nicht, bei Regen auf dem Markt. Die wollen die dat mitkriegen. Das ist die zweite falsche Entscheidung. Und dann eben hast du wirtschaftliche Veränderungen, die schneller innerhalb der Gesellschaft, der Community passieren, als dass die in den Ebenen der Politik nachvollzogen werden können. Du hast da so eine Trägheit. Ist ja auch gut, dass es träge ist. Dann gehen Sachen nicht so schnell kaputt. Aber du hast halt eine träge politische Ideenklasse, sag ich mal, wo halt für jeden irgendwie klar ist, wie Dinge passieren. Und das ist sehr lange so. Aber das Fundament dieser Ideenklasse gibt es überhaupt gar nicht mehr. Das hört sich jetzt abstrakt an. Ich sage es mal ein bisschen konkreter. In Bottrop war die SPD immer so stark, weil die Berchleute da waren und stark waren. Das hat bedeutet, dass die IG BCE, die Gewerkschaft, die Masse der Delegierten der SPD bestimmen konnte. Jetzt ist die Zeche aber nicht mehr da. Das heißt, die Gewerkschaft hat nicht mehr den Einfluss auf die einzelnen Wähler, auf die Lebensverhältnisse der Menschen. Die gibt es nicht mehr. Das heißt, das Wurzelwerk, das Fundament ist weg. Das hat aber die Partei ja nicht mitgekriegt. Die hat gedacht, das funktioniert immer noch so wie früher. Ist aber nicht. Das hat zur Konsequenz jetzt auf der politischen Ebene, dass aus Gladbeck der nächste Bundestagskandidat für unseren Wahlkreis kommt. Nicht mehr der Bottropper. Das war immer der Bottropper, weil der halt die Gewerkschaft auf seiner Seite hatte und der Püt bei uns war. Ist nicht mehr da, mit einmal ist das weg. Und dieses ganze Geflecht löst sich alles auf. Alle Beziehungen untereinander lösen sich auf. Damit lösen sich, weiß ich nicht, das Dagewesen, was eine Stadt ausgemacht hat, das Gewebe einer Stadt löst sich auf. Und das kann man nur neu machen, wenn man sich darum kümmert, wenn man sich anstrengt. Und das ist das, was wir tun. Und dafür brauchst du Medien, Dafür brauchst du Kommunikation.
Uwe Martin [00:10:48]:
Jetzt bist du da an diesem Kaffeestand. Was sind Geschichten, die sich daraus ergeben, die du sonst nicht gefunden hättest? Was für eine Art von Geschichten sind das? Und wie berichtet ihr dann auch?
David Schraven [00:10:58]:
Erst mal geht das ganz viel Entwicklung. Da kommt jeder in die Stadt und dann sagen die so, was machst du denn da? Und hast du gehört, was weiß ich, der geht pleite, der hat das gemacht, da vorne, die haben bei dem Fundament beschissen, da hinten ist das und jenes passiert. Alles Mögliche, da wird alles mögliche zugetragen. Wenn du als Journalist am Kaffeestand bist, auf dem Marktplatz, innerhalb von zwei Stunden weißt du alles, was relevant ist. Das reicht aber ja nicht. Sondern dann fängst du an zu recherchieren. Das sind Sachen, die noch nie passiert sind in einer lokalen Stadt. Dass man auch Konfrontation eingeht, dass ich halt Auskunftsklagen durchgezogen habe. Aufgrund von Informationen, die ich bekommen habe, habe ich gelernt, da ist eine wertvolle Information, die will ich haben, die wurde verweigert, ich kann klagen. Dadurch, dass ich nicht zu dem Gewebe gehöre der Stadt, habe ich auch die Möglichkeit zu klagen, weil ich mir nichts kaputt mache. Sondern ich bin halt unabhängig, der Dritte. Ich spiele nicht mit in der Party, deswegen kann ich das machen. Und dadurch kannst du halt Geschichten bringen über Verfilzung in der Wirtschaftsförderung, über Korruption, über… Eine Geschichte, die fand ich total spannend, Wir reden immer vom Marktplatz. Das ist ein Gefiert von 400 x 400 Meter, ein ziemlich kleines Gelände. Und alles da drin ist spannend. Du hast eine Riesenpleite. Der Karstadthausbetreiber, der Velo, Riesengeschichte. Dann die Fakta AG, ein Riesenimmobilienbetreiber aus Nordrhein-Westfalen ist kaputt gegangen mit ein paar hundert Millionen. Die Geschichte ist vor Ort entstanden. Ein Medizinbetrüger konnte da so Maskenbetrugsfälle aufklären. Das ist halt alles in diesem kleinen Gefiert. Und die spannendste Geschichte war mit den Cooks, die dann den Cookstaxi am Marktplatz betrieben haben. Und die siehst du und kannst drüber schreiben. Oder über Korruption im Rathaus, wo der Chef vom Ordnungsamt korrumpiert worden ist. Das siehst du da, das erlebst du, du redest darüber, findest die Quellen und dann kannst du halt mit den Methoden, die wir als Journalisten sonst können, eine größere Aufklärung erreichen, als das normal möglich wäre.
Uwe Martin [00:13:20]:
Und du konzentrierst dich dann aber auch wirklich auf so investigative Geschichten oder so? Oder machst du so alles?
David Schraven [00:13:28]:
Was ich interessant finde, Also das ist halt so, ich mache das als Hobby. Also das ist nicht, dass ich das hauptberuflich mache. Aber ich sehe halt, dass das eine hauptberufliche Chance wäre. Wenn ich wollte oder müsste, könnte ich da ohne Probleme einen Hauptjob raus machen. Aber jetzt mache ich halt was anderes. Deswegen geht das gerade nicht. Aber man weiß ja nicht, was wird. Man hat so mehrere Bälle im Rennen. Die Methoden, die ich einsetze, sind halt die professionellen Methoden. Und dann gucke ich halt, was ist jetzt gerade interessant, was ist wichtig, was bewegt die Stadt. Und den Geschichten gehe ich dann nach.
Uwe Martin [00:14:05]:
Genau, aber du machst überhaupt keine aktuelle Berichterstattung. Das ist ja so ein Faden, der sich bei dir durchzieht. Warum?
David Schraven [00:14:11]:
Das ist unintressant. Das ist, weiß ich nicht, da kann ich nichts für. Das hat mit mir zu tun. Ich finde das nicht interessant. Also entweder mache ich was, wo ich was exklusiv habe, dann ist das aktuell, wenn ich jetzt schreibe, dann ist es eben dann aktuell. Oder ich will erklären, was die Hintergründe von was sind. Ich halte auch nichts von dieser, ich sage mal klassischen Tagesberichterstattung, Da glaube ich nicht so dran. Warum? Was willst du damit? Was ich tagesaktuell brauche, ist, Was findet statt? Wo findet was statt? Muss ich da hingehen, weil es interessant ist? Das ist halt aktuell. Dann brauche ich einordnende Berichterstattung. Also warum finden Sachen statt? Wie orientiere ich mich? Und das bedingt immer Recherche. Jetzt gibt es unterschiedliche Arten von Recherche. Das eine ist einfach nur einordnende Hintergrundsachen. Das andere ist eine investigative Recherche. Da gibt es dann wieder 5000 verschiedene Sachen. Bei einigen ist das auch so, du brauchst mehr einen Fakt, der existiert und dann Sichtweise darauf, dass du eine Orientierung zu dem Fakt hast. Aber nur den Fakt zu berichten, das ist ein bisschen wenig. Ich glaube, damit kommt man nicht weiter.
Uwe Martin [00:15:32]:
Ja, sehe ich genauso. Demokratisch wirksam zu sein, musst du die Hintergründe haben, musst du die Dinge rundherum haben, damit du eine Möglichkeit hast, dich zu bewegen.
David Schraven [00:15:46]:
Zumindest eine Einordnung musst du haben. Du musst wissen, in welchem Kontext steht der Fakt. Ich glaube, da ist das Mediensystem auch aufgebrochen. Das klassische lokale Mediensystem, das war einmal das, ich sage, reichweitengetriebene Geschäft. Da ging es darum, möglichst große Reichweiten zu erzielen, damit ich Anzeigen verkaufen kann. Auf der anderen Seite war das ein abogetriebenes Modell, worum ging, relevante Inhalte zu geben, für die Leute gerne Geld bezahlen. Das waren aber unterschiedliche Sachen. Für den einen war das die Sterbeanzeigen, für den anderen war das der Kleinanzeigenteil, für den dritten war das die Lokalberichterstattung. Davon ist viel weggefallen. Den kostenlosen Teil, also den Reichweitenteil, den kriege ich für taube Nüsse bei Facebook. Warum soll ich dafür bezahlen? Mach ich nicht. Wenn ich jetzt in der Tageszeitung gucke, berichtet genau an der Schwelle auseinander. Jetzt muss eine Tageszeitung eigentlich auf das gehen, was diesen Abo-Charakter ausmacht. Also dieses, das mir den Grund gibt, mich zu orientieren in meiner Gemeinde, wofür ich Geld zahlen will. Wo ich sage, ohne diese Information kann ich nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Und das sind in den allerseltensten Fällen reine Fakten, weil ich krieg für Tauben Nüsse auf Facebook.
Uwe Martin [00:17:04]:
Ja, genau. Du hast jetzt diese, Kaffeestand ist jetzt ja so eins, aber das ist ja eigentlich nur eine Weiterentwicklung oder der nächste Schritt. Davor hast du diese Geschichte gemacht, die auch im Bottrop war, auch an diesem Marktplatz mit der Apotheke. Kannst du darüber was erzählen, wie sich das entwickelt hat und was sich daraus entwickelt hat?
David Schraven [00:17:27]:
Dahinter steckt eine Erfahrung, die ich gemacht habe. Und zwar war ich Ressortleiter bei der WATZ, bei der Funke-Gruppe damals, damals hieß die WATZ-Gruppe, für Recherchen, für Investigatives nannte sich das. Und da war die Love Parade, ein Love Parade-Unglück. Und natürlich, das war in unserem Berichtsraum, war das für uns als Medium nötig, dass wir unter den ersten drei, vier Zeitungen liegen in der Berichterstattung. Ist klar, wir können bei so einem nationalen Ereignis nicht immer Erster sein in der Berichterstattung, aber Wir müssen ab und an Erster sein und ab und an können wir auch mal Zweiter oder Dritter sein, aber wir müssen immer unter der Gruppe sein, der ersten drei, vier, fünf Medien. So, und da habe ich einen großen Fehler gemacht. Ich habe mich total in diesen Wettbewerb reingestürzt, ich habe da Ziel erreicht, Aber in der Nachbetrachtung habe ich gemerkt, dass mein großer Fehler war, ich bin nicht dahin gefahren. Klar, ich war andauernd da, aber ich habe die Redaktion nicht dahin verlegt. Ich bin nicht mit meinen ganzen Kollegen dahin gegangen, nach Duisburg, habe mich neben das Ding gesetzt und gesagt, hier bin ich, ich will alles wissen, was hier passiert ist. Wir als Berichterstatter, ihr seid die Quellen, gebt uns eure Informationen. Und das hat mich sehr lange beschäftigt. Weil das hätte, wenn das nicht in den anderen Bereichen so gut geklappt hätte, hätte das für so eine Zeitung Ruin bedeuten können. Wenn man da verkackt hätte, wäre unter den ersten Zehn gewesen, wäre die Zeitung irrelevant geworden, die Leute hätten keinen Grund mehr, die Watt zu kaufen gehabt, Abo-Einbrüche wären die Folge gewesen. Und weil mich das so beschäftigt hat, habe ich beim nächsten Mal, als ich das erlebt habe, als der Fall war mit der alten Apotheke, ziemlich schnell klar gehabt, dass wir da rein müssen. Und rein heißt halt nicht, wie ein Helikopterjournalist, 14 Tage da reinfahren, deine Geschichte machen, weiterfliegen. Sondern wir müssen eine Redaktion eröffnen. Direkt neben der alten Apotheke, wo der Apotheker Tausende von Krebsmitteln gepanscht hat. Wir müssen dann Ansprechpartner sein für Opfer, für Quellen, für alles. Wir müssen ganz deutlich sagen, was wir wollen. Wir wollten alles aus der Apotheke haben. Einfach alles. Alle Rezepte der letzten zehn Jahre, die ganze Buchhaltung der letzten zehn Jahre, alles. Und dann, wenn wir Leute befragt haben, wenn wir Quellen brauchten, Experten brauchten, haben wir die in die Redaktion eingeladen und haben die Redaktion geöffnet für die Menschen, die da waren, für Opfer, für Interessierte, für Familienangehörige von Opfern. Und Daraus ist dann nach und nach eine Bewegung entstanden. Da haben sich Leute zusammengetan. Da waren nachher Demos in der Stadt mit 500, 700 Leuten. Das war eine große Bewegung. Die hat dann nachher auch zu einem großen Erfolg geführt. Es gab einen Entschädigungsfonds für alle Opfer. Was das so bei solchen Skandalen auch noch nicht gab. Und das war sehr gut. Und da haben wir gemerkt, dass der Weg der richtige ist.
Uwe Martin [00:20:38]:
Wie muss man sich das vorstellen, wenn du sagst, du hast die Redaktion daneben verlegt? Was konkret? Wie sah das aus?
David Schraven [00:20:44]:
Ich habe ein Ladenlokal daneben gemietet, habe den leer geräumt, habe Schreibtisch ins Fenster gestellt, habe die Türen aufgemacht und gesagt, wir arbeiten jetzt hier bei offenen Türen. Teilweise haben wir die Schreibtische in die Fußgängerzone gestellt.
Uwe Martin [00:20:56]:
D.h. Man kam an euch gar nicht vorbei?
David Schraven [00:20:58]:
Nö. Das war Luftlinie, 2 m neben der Apotheke.
Uwe Martin [00:21:05]:
Und der Apotheker hat sich gefreut?
David Schraven [00:21:07]:
Der war im Knast, aber die anderen Leute, die da gearbeitet hatten, die haben dicke Augen gemacht. Da war auch ziemlich viel Ärger, klar. Aber war ja auch ein großes Verbrechen.
Uwe Martin [00:21:20]:
Und jetzt hat sich ja aus dieser Geschichte, wenn ich das so richtig weiß, dann gleich die nächste entwickelt. Wie kam das zustande?
David Schraven [00:21:27]:
Das war so, wir haben uns überlegt, wo die Motivation herkommt. Wieso kann ein Mensch tausende Krebsmittel punchen, komplett emotionsfrei. Er hat Menschen, zumindest hat er es hingenommen, dass Menschen in den Tod gingen. Wie kann man das machen? Wie kann man als Apotheker so vor gegen Eid brechen? Da war eine Arbeitshypothese, die wir hatten, dass es sein könnte, dass das Urvertrauen von dem Menschen zerstört ist. Wie kann das sein? Da war eine Arbeitshypothese, der war katholisch, vielleicht ist sie in Missbrauchsskandal verwickelt worden. Das war eine Arbeitshypothese. Dann haben wir angefangen diese Arbeitshypothese zu überprüfen für den Zeitraum, in dem wir in der katholischen Kirche unterwegs waren und haben wir tatsächlich einen Missbrauchsskandal gefunden mit einem Priester, der damals da war. Wir haben herausgefunden, dass der Priester teilweise die Kinder, die er vergewaltigt hat, weitergegeben hat an seinen Nachfolgepriester. Wir haben herausgefunden, dass es da eine Art Kinderbordell gab, auch an dem Marktplatz übrigens. Und die Spur dieses Priesters konnten wir dann bis zum Papst Benedikt verfolgen.
Uwe Martin [00:22:39]:
Der ihn dann einfach nur weiter geschoben hat oder auf andere Posten als was rauskam oder wie?
David Schraven [00:22:45]:
Genau, der hat dann den berühmten Traubensaftbrief geschrieben. Der hat dann geschrieben, da passiert ja nur, wenn er besoffen ist, dann gib ihm halt Traubensaft. Also jetzt paraphrasieren. Das hat dann der Ratzinger unterschrieben und an den Bischof geschickt. Und dann war gut.
Uwe Martin [00:23:03]:
Das ist schon krass, was an so einem Marktplatz, an Weltgeschichte passiert.
David Schraven [00:23:07]:
Ja, meine These ist, das passiert an jedem Marktplatz, bloß da gibt es relativ wenig Kaffeewagen auf dem Marktplatz, die von Journalisten betrieben werden.
Uwe Martin [00:23:15]:
Also der Kaffeewagen ist sozusagen das zentrale Recherche-Instrument?
David Schraven [00:23:21]:
Genau, weil da alles zusammenkommt. Da kommen unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Religionen, alle. Und wenn du alle hast und mit allen reden kannst und offen bist und einfach nur da bist, dann passieren Dinge.
Uwe Martin [00:23:36]:
Das ist ja eigentlich fast wie so eine Art Designintervention. Im Design benutzt man das sehr viel, dass man sagt, ich baue da irgendwie was hin. Ich baue ein bestimmtes mobiles Fahrrad oder so was, eine mobile Küche, um damit mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Wie bist du da so drauf gekommen? Das lernt man ja nicht an der Journalistenschule, so ein Kram.
David Schraven [00:23:56]:
Nee, beim Kaffee. Nee, wirklich, mich interessiert das. Und ich hab auch, das ist auch, glaube ich, was ein bisschen anders ist, ich mach das ja nicht, zu, also ich mach das nicht um zu irgendwas zu erreichen. Ich mache das, weil ich das machen will. Ich mache den Kaffeewagen, ich würde den auch machen, wenn ich da kein Produkt draus machen würde. Ich würde den Kaffeewagen auch machen, wenn ich da einfach nur sitze und Kaffee trinke. Das ist für mich ein Ziel. Nur wenn ich dann eine Weile da sitze und meinen Kaffee getrunken habe, dann denke ich, was kann ich denn noch machen. Und dann sehe ich die Kirche gegenüber und dann denke ich mir, wie geil wäre das, wenn wir da eine Leinwand dran bauen und dann hier Kino gucken. Und dann denke ich, warum gehe ich nicht rüber und frage mal. Und dann sprichst du mit den Leuten und dann geht das. Dann kann man da eine Leinwand dran bauen. Und jetzt haben wir ein Sommerkino in der Stadt, direkt an der Kirche und gucken da Filme, gute, oder Dokumentation. Und so ist das. Dieses Umzu, ich glaube, das ist das Problem, weil dann merken die Leute, dass du das nicht ernst meinst. Den Kaffeewagen, wir meinen das ernst, wir kommen bei Wind und Wetter, wir kommen seit Jahren, Wir sind da. Und diese Verlässlichkeit, das ist auch was, was auszeichnet. Wo dann die Leute sagen, ja, da kannst du vertrauen. Die machen das halt nicht nur, wenn es schön ist. Die machen das nicht nur, wenn sie irgendwas hinterhergeschmissen kriegen. Die kommen auch, wenn es schwierig und dreckig ist. Und dann baust du mit der Zeit dieses Kernteam eine ziemlich große Gruppe auf, die dich unterstützt. Da kann ich eine Anekdote erzählen, die fällt mir gerade ein. Wir haben Tische und Stühle für den Kaffeewagen, damit die Leute da sitzen können. Das ist sehr schön. Da kommen immer so 100 Leute hin, jeden Samstag. Das ist einfach nett. Dann hat die Stadtverwaltung, da ist halt ein Typ in der Stadtverwaltung, der leitet halt diese Abteilung, die für Marktwesen zuständig ist. Und der hat enorme Probleme in seiner Verwaltung. Also mit den Untergebenen, da ist Streit, da gibt es Vorwürfe, also richtig Theater. Natürlich schreibe ich darüber. Jetzt ist das aber der Typ, der den Markt macht. Aber Ich lasse mich nicht korrumpieren von gar nichts. Und deswegen schreibe ich trotzdem darüber, auch wenn der die Regeln für den Markt machen kann. So, was macht der? Der sagt dann irgendwann, die Gebühren für die Marktstellung werden verändert. Wir sollen mehr Geld zahlen für unsere Tisch und Stühle, die wir aufbauen. Da sag ich, nee, mach ich nicht. Und dann unterhalten wir uns mit denen und sagen, also ja, so ist das. Du musst damit klarkommen. Es gibt Kritik, die wird geäußert, du kannst dazu was sagen, Aber das sehe ich unabhängig von irgendwelchen Marktstellgebühren. Diskussion zuerst intern, Ende vom Lied ist, die wollen ihre Position nicht aufgeben. Und dann haben wir gesagt, okay, wir machen jetzt alle Stühle weg. Nun gibt es halt keine Stühle mehr. Wir werden uns nicht beugen. Zur Not wird der Kaffeewagen untergehen. Das ist dann auch egal. In dem Punkt kommen die Leute mit eigenen Stühlen. Setzen sich dahin, einfach davor und bringen ihre Stühle mit und sagen, kommt doch. In dem Augenblick hast du die Macht in der Stadt gebrochen. Was sollen die denn machen? Gar nichts. Und das ist halt das, was so etwas auszeichnet. Da kommen die Leute und das unterstützen die auch.
Uwe Martin [00:27:27]:
Wann ist das Ganze losgegangen? Also seit wann macht ihr das? Und was für wesentliche Veränderungen hast du seitdem gesehen?
David Schraven [00:27:34]:
In Bottrop? Ja. Also wir machen das seit 2020, also jetzt viertes Jahr. Wir haben viel Niedergang gesehen. Wir müssen erleben, dass halt dieser Wandel der Idee, die Übernahme der Idee in ein städtisches Verhältnis hat halt bis dieses Jahr gedauert, vier Jahre gedauert, bis sie gesagt haben, okay, sie akzeptieren das. Fängt ganz am Anfang an. Wir haben gesagt, wenn wir was Neues wollen, müssen wir einen neuen Namen finden. Wir müssen halt was Frisches nehmen, was die Leute mitnimmt. Lass uns Marktviertel nehmen. Marktviertel ist eine Definition von einer Stadt, wo ein Markt ist, da ist eine Stadt. Und das muss unser zentrales Anliegen sein. Wir müssen den Markt herum aufbauen. Da hat die Stadt gesagt, nee, wollen wir nicht, das ist nicht unsere Idee, wir sind ja Hansa. Hansa, Bottrup ist Hansa. Und dann denkst du halt so, Hansa ist vielleicht Rostock oder eine Hansestadt, aber nicht eine alte Bergbaustadt im Ruhrgebiet, das kannst du vergessen. Bis sie davon abgelassen haben und gesagt haben, ja, so ein Markt mit frischen Früchten, Das ist halt das, wo man in Zukunft hingehen kann. Das hat vier Jahre gedauert. Und zwischendurch sind alle Ideen in der Stadt kaputt gegangen. Also alle Ideen, wo halt dran gedacht worden ist, von oben Top-Down-Sachen zu lösen mit fremden Investoren. Also de Velo, der erste Riesenskandal, der zweite Riesenskandal mit der Fakt AG. Einfach Pläthiers, die Augenwischerei betrieben haben, die Kredite im Endeffekt geplündert haben. Also Millionen Kredite. Eine ganze Straße, eine zentrale Straße, eine 1A-Lage, die ist kaputt gegangen. Und wir haben gemerkt, dass es immer weiter darum geht, den Kern irgendwie zu erhalten. Und wir sind halt lange Zeit die Einzigen gewesen, die das versucht haben, als Einzelkämpfer, das stimmt ja nicht, sondern so als Community. Und jetzt wird aber immer klarer, dass das der Weg ist und daraus entstehen jetzt wieder neue Dinge.
Uwe Martin [00:29:47]:
Das heißt, jetzt kommt die Stadt auch so ein bisschen zurück. Also das belebt die Stadt dann dort auch?
David Schraven [00:29:52]:
Also wir sind die einzigen, die richtig beleben. Und das merken die jetzt. Und jetzt werden auch darum die Ideen aufgenommen, eigene neue Konzepte gemacht. Aber das das gelöst ist das Problem, da sind wir weit, weit, weit, weit von entfernt.
Uwe Martin [00:30:07]:
Ja, Bottrop ist dann auch nicht gerade irgendwie so das Paradies schlechthin.
David Schraven [00:30:12]:
Das ist einer der schlechtesten Städte Deutschlands. Es ist übrigens auch noch was Interessantes, da kriegen wir auch viel mit, was so Dynamiken in Deutschland gerade ausgelöst werden. Du hast halt in Ostdeutschland jetzt eine hohe Wählerquote bei der AfD. In Bottrop hast du im nördlichen Ruhrgebiet Jahrzehnte den Soli bezahlt. Dann guckst du darüber, die Straßen sind super, unsere Straßen sind im Arsch. Und auf dem Markt wird darüber diskutiert, was wollen wir eigentlich mit denen. Und dieses Verhältnis, was man den Ossis nachsagt, dass sie sagen, diese Abwehrhaltung gegenüber dem Westen, die entsteht gerade bei uns gegenüber dem Ost. Und zwar sehr aggressiv. Das sind Sachen, die kriegst du mit, wenn du auf den Markt stehst.
Uwe Martin [00:31:03]:
Die würdest du so nicht mitkriegen. Krass. Ja. Krass, weil da fällt ja viel auseinander. Und ihr macht das Gegenteil davon. Ihr bringt zusammen.
David Schraven [00:31:11]:
Wir versuchen zusammenzubringen. Wir versuchen mit den Leuten zusammen irgendwie eine gemeinsame Sprache zu finden. Eine Sprache zu finden, auch nicht in der Polarisation, sondern in der Betonung des Gemeinsamen. Aber es ist halt auch sehr schwer.
Uwe Martin [00:31:31]:
Jetzt würde ich gerne, glaube ich, noch über ein anderes, weiteres Thema in diesem Zusammenhang reden, um es so ein bisschen so im Rahmen zu geben. Du hast ja auch noch eine Jugendredaktion, oder ihr habt auch noch eine Jugendredaktion aufgebaut. Was hat es damit auf sich erstmal?
David Schraven [00:31:51]:
Also eine Sache, die mir auch aufgefallen ist, auch schon vor etlichen Jahren, du hast in der Art, wie Journalismus gemacht wird für Jugendliche, hast du halt die Jugendlichen vergessen. Und du machst das halt für interessierte Leute, aber nicht für Uninteressierte. Damit du eine Gesellschaft zusammenhältst, musst du aber dahin gehen, wo es schwierig ist, kompliziert ist, wo die Leute halt nicht einfach so aus freien Stücken mit einem reden. Und das haben wir halt damals gesehen. Für mich war das so ein Eröffnungsmoment, so ein Aha-Moment. Da habe ich eine Diskussion gesehen, irgendwo in der Stadt. Da hat ein Jugendlicher darüber geredet, dass endlich die Gewerbesteuern runtergebracht werden müssen, damit die Unternehmen mehr Geld verdienen, damit die Auszubildende einstellen können. Weil der hat einen Ausbildungsplatz gesucht. Und der Jugendliche hieß Ali. Und da habe ich mir gedacht, Mensch, das sind politische Gedanken, das hört aber keiner, weil sich nie einer mit dem Ali beschäftigen würde, was der zur Gewerbesteuer im Bottrop zu sagen hat. Und dann habe ich gedacht, wir müssen das irgendwie hinkriegen, dass wir an die Leute rankommen. Und das geht halt mit einem Jugendding. Dann haben wir gesagt, oder habe ich damals überlegt, einen Text zu machen. Also dass man sagt, wir machen eine Jugendredaktion und ihr schreibt was. Das ist eine Riesenhürde, Weil die meisten Jugendlichen eben nicht schreiben können, nicht schreiben wollen. Gerade die Jugendlichen, die aus prekären Verhältnissen kommen, die sind ganz, ganz weit vom Schreiben weg. Wenn ich also das als Hürde einziehe, kann ich mir darüber alles mögliche überlegen. Also was weiß ich, wie ich Grenzen aufhebe. Aber ich werde die nie erreichen. Aber reden können sie alle. Und dann machen wir halt ein Radio, auch nicht schlimm. Und ein Radio kannst du halt sehr einfach machen, aber auch mit viel Spaß machen. Und dann haben wir gesagt, da muss eine Redaktion drumherum. Eine Redaktion muss aber wie ein Abenteuerspielplatz sein. Da musst du Sachen haben, auf die du dich freust. Die darf nicht perfekt sein. Da muss Sachen müssen irgendwie, da muss immer was zu basteln sein. Da dürfen Sachen kaputt gehen, da dürfen Sachen aufgebaut werden. Aber das muss doch was sein, wo du stolz drauf sein kannst. Und das haben wir dann gebaut über ein paar Jahre. Und dann haben wir dafür gesorgt, dass wir in die Schulen reinkommen, in die schwierigen Verhältnisse reinkommen, dass wir Workshops anbieten, da wo es wehtut, da wo es dreckig ist. Und so Menschen zusammenbringen aus privilegierten Haushalten und aus unterprivilegierten Haushalten. Aus bildungsnahen, also hochgebildeten Haushalten mit Leuten, die gar keine Bildung haben sich herum. Aus allen Religionen. Und erst dann entsteht eine Vielfalt. Wenn man so was macht, nur für Unterprivilegierte, was macht man damit? Man schafft quasi nicht ein Ghetto oder so. Nein, das finde ich ganz schlimm. Sondern du musst die Leute zusammenbringen. Und eben von unterschiedlichen Hintergründen. Und das ist halt unheimlich kompliziert. Mir hat damals ein Satz von der Anna Meyer, die hat damals bei uns gearbeitet, die ist nachher zur Zeit gegangen, der ist mir halt total im Kopf hängen geblieben, als die über die Armen geschrieben hat. Da hat die gesagt, die besser Angezogenen kümmern sich Leute, die es ein bisschen ekelig finden. Das ist jetzt nicht wortwörtlich, aber dieses ekelig finden, das ist halt wortwörtlich. Und das finde ich halt interessant, weil da so viel Wahres dran ist. Die Leute, die sich für sozial halten und sozial einsetzen, die ekeln sich oft vor den Menschen, mit denen sie sich eigentlich solidarisieren wollen. Das sind dann die Leute, die, Weiß ich nicht, billig Fleisch auf den Grill hauen, dabei eine Pulle Bier trinken und rauchen. Die sind halt nicht vegan. Aber wenn du was ändern willst, dann musst du zu den Leuten. Du musst mit denen sprechen. Du musst gucken, was haben die denn für Nöte und Sorgen. Du darfst sie nicht eklig finden, du musst sie in Ordnung finden. Du musst mit denen Spaß haben. Das hat mich extrem bewegt. Das ist der Grund, warum wir die Jugendredaktion ausgebaut haben. Jetzt haben wir da viele Mitstreiter gefunden. Die ist mittlerweile in Bottrop, Essen, Dortmund, Kreiswald, Hamburg. Jetzt machen wir Chemnitz auf. Da werden wir im Laufe der Zeit bestimmt 20 Standorte in Deutschland öffnen. Und dann bringen wir die Jugendlichen aus ganz Deutschland zusammen. Wir machen jetzt schon Ferienfahrten aus dem Ruhrgebiet nach Norddeutschland, nach Greifswald. Und dann kannst du die jugendlichen Heimat erleben lassen und dann veränderst du das Denken von Menschen. Und da ist jetzt wieder wichtig, wie ist deine Wirkungslogik. Meine Wirkungslogik ist nicht, dass ich 100.000 ändern will. Meine Wirkungslogik ist, ich will dem Individuum eine Chance geben, dass es sich entwickeln kann. Und was daraus entsteht, das weiß man nicht. Also der Ali, von dem ich gerade gesprochen habe, was könnte denn werden, wenn so ein Ali sich weiterentwickelt, Professor für irgendwas wird und nachher die neue Glühbirne erfindet. Das ist eine größere Wirkung, als wenn ich jetzt irgendwas anderes mache. Und das ist die Wirkungsgeschichte, die ich sehe. Und die Erfolge können wir vorweisen. Wir haben bei der Jugendredaktion jetzt eine Absolventin gehabt, die ist von der Jugendredaktion als 19-Jährige direkt ins Volontariat beim ZDF gegangen. Und die Zeit bei der Jugendredaktion wurde ihr anerkannt als Bachelorstudium. Die ist direkt mit 19 ins Masterstudium gegangen. Geil. Ja, das geht.
Uwe Martin [00:37:28]:
Wow, super. Wie muss ich mir das vorstellen? Du bist dann da hin zu den Jugendlichen oder was und hast gesagt, ey komm, wir machen jetzt mal zusammen was aus. Du lieber, Ali oder Hans oder wer auch immer.
David Schraven [00:37:40]:
Nein, ich hab das gesehen und das hat mich beschäftigt und ich hab überlegt, was ist das? Und das geht dann im Kopf rum, Das war nicht so von einem Tag auf den anderen, sondern das hat ein paar Tage gedauert, ein paar Jahre. Und dann habe ich überlegt, wie man das machen kann. Dann habe ich gedacht, okay, ich versuche mal, einen von den Leuten, das war so ein Paar, zu uns reinzuholen. Das war aber super kompliziert, weil Er hatte keinen Schulabschluss. Er war Lkw-Wäscher. Ich wollte, dass er bei uns arbeitet. Ich habe ihn aus der Lkw-Wäsche verpflichtet. Ich habe ihm gesagt, du kannst bei uns ein Volontariat machen.
Uwe Martin [00:38:16]:
Das war der Ali? Nein, das war ein anderer. Wie hast du diesen Menschen gefunden?
David Schraven [00:38:22]:
Der war aus der Gruppe rund den Ali.
Uwe Martin [00:38:25]:
Ok
David Schraven [00:38:25]:
Den habe ich gesehen und wusste, dass es den gibt. Der ist talentiert, der kann was. Aber weil er Tschicksal ist, hat er den in die Lkw-Wäsche gespült. Dann habe ich gesagt, komm zu uns. Dann ist das erst mal eine Aufgabe, Arbeitsweise beizubringen. Dann hat er erst mal ein Praktikum gemacht. Und dann halt ein Volontariat. Und in der Zeit mit dem Volontariat habe ich mit dem das Konzept für die Jugendredaktion aufgebaut. Und der hat dann die erste Jugendredaktion geleitet, hat dann den nächsten Schritt gemacht. Und so wächst das immer weiter. Und das geht halt immer die Menschen, immer das Individuum, nicht um die Masse.
Uwe Martin [00:39:06]:
Also das heißt, der spricht dann die Jugendlichen an, die jetzt hier reden?
David Schraven [00:39:09]:
Der hat dann damals die Jugendlichen angesprochen, der hat dann das weitergeführt. Ich kann das nicht machen, ich bin zu alt. Ich hatte ja nachher für einen Kinderschein. Ich habe denen gesagt, nee, das müssen Jugendliche machen, aber ich kann dafür sorgen, dass ich junge Leute beschäftige, die das können.
Uwe Martin [00:39:22]:
Also du schaffst da wieder, wie auch auf diesem Marktplatz oder mit dieser Redaktion eine Anlaufstelle, ein soziales Gefüge oder so, wo dann Sachen passieren können.
David Schraven [00:39:33]:
Genau.
Uwe Martin [00:39:34]:
Wie ist das jetzt anders? Also jetzt würden viele Kollegen wahrscheinlich argumentieren, was hat das mit Journalismus zu tun? Ist es das eigentlich? Ist das nicht Sozialarbeit oder so? Was ist das für dich so?
David Schraven [00:39:43]:
Für mich spielt das alles keine Rolle. Für mich ist das… Die Menschen brauchen Schubladen, in die sie Sachen reinstopfen können. Aber ich muss nicht in die Schublade springen. Mit der Jugendredaktion, was so spannend ist. Du erlebst halt, wenn du den Jugendlichen die Chance gibst, selber zu berichten, erlebst du andere Geschichten, andere Arten von Berichten. Du erlebst eine viel unmittelbare, hochqualitative Arbeit. Und wenn die anderen erzählen von Talenten, die sie suchen, so ja, ich suche keine. Also ich meinte jetzt gerade so im Sinne, wer bei uns Volontariat will, zu uns wollen die Leute kommen.
Uwe Martin [00:40:28]:
Also da stehen dann auch nicht nur die Gymnasiasten da, die sowieso in Journalismus wollen, sondern bei euch stehen die anderen?
David Schraven [00:40:34]:
Bei mir stehen eine ganze Menge, eine große Mischung an sehr interessanten Menschen.
Uwe Martin [00:40:39]:
Toll, was natürlich den Journalismus massiv verändert, den ihr dann auch raushaut, oder?
David Schraven [00:40:44]:
Genau, was viel verändert. Also zuerst mal in der Berichterstattung selber in der Jugendredaktion, aber dann geht das natürlich auch weiter. Das ist auch da, das ist kein Selbstläufer, sondern das ist der komplizierte Weg, das ist der lange Weg, das ist nicht der direkte Weg zum Ziel. Aber ich finde das halt viel bereichernder, viel kräftiger. Vielleicht ist da auch noch so ein Gedanke. Was mich auch sehr stark beschäftigt, ist die Frage, wenn die heute von Diversität in Redaktionen reden. Mir kommt das nicht so vor, als würde die Diskussion über ich will wirklich unterschiedliche Menschen haben, sondern mehr in der Assimilation legen. Ich will mehr Menschen zu meinem eigenen machen, zu meinem Abbild machen. Und das ist, glaube ich, der falsche Weg. Es muss darum gehen, mehr andere, Fremde zu ertüchtigen, dat zu machen, was sie machen wollen und dann zusammen zu diskutieren, Räume zu finden, in denen man sich auseinandersetzen kann. Ist unbequem, ist politisch total komisch, weil die Leute natürlich auch nicht die Ansichten haben, die man denkt, dass sie die haben. Das sind halt alles eigene Menschen.
Uwe Martin [00:41:56]:
Wie alt sind die Jugendlichen und was passiert mit denen, wenn sie da plötzlich reinkommen Und plötzlich anfangen damit zu arbeiten, so in den ersten Monaten oder so. Was passiert dadurch bei denen?
David Schraven [00:42:06]:
Ach, das ist so super unterschiedlich. Viele fangen einfach nur an, schnuppern rein, machen ein bisschen, machen was anderes, sind halt Jugendliche. Ein paar bleiben dabei, steigen ein. Dann hast du ein paar Hochengagierte, denen geben wir Jobs. Ich finde auch Praktika scheiße, deswegen geben wir den Leuten Jobs oder den Jugendlichen auch Jobs. Und dann können die bei uns mitarbeiten, werden ernst genommen Jugendreporter und machen Sachen. Machen Geschichten, entwickeln eigene Geschichten. Das sind mittlerweile, ich weiß nicht genau, ich glaube so 100 Jugendreporter. Und dann erleben die ihre Welt, machen Abenteuer. Wir haben jetzt eine Kulturredaktion zum Beispiel, eine Jugendkulturredaktion, die fahren dann auf Festivals, was Jugendliche eh machen sollten, ihre Welt zu entdecken. Und dann erzählen die halt drüber für andere Jugendliche, Das ist gut.
Uwe Martin [00:43:02]:
Hat das was mit Selbstwirksamkeit zu tun für die Leute? Willst du darüber was erzählen? Was steckt dahinter? Was sind da so Erlebnisse?
David Schraven [00:43:12]:
Klar, Selbstwirksamkeit ist total wichtig. Das Gefühl ernst genommen zu werden ist total wichtig. Das Gefühl rauszukriegen, was passiert in meiner Stadt. Was will ich eigentlich von meiner Stadt? Was kann ich denn ändern, damit das so wird in meiner Stadt, wie ich das haben will? Finde ich eine super spannende Reise. Und die machen Jugendliche. Eine der ersten Fragen, die wir stellen in der Redaktion ist, was findest du denn richtig schön in der Stadt? Dann erzählen die, machen daraus einen Podcast. Dann sagt man, was stört dich denn richtig in der Stadt? Dann machen die daraus einen Podcast. Dann sagt man, wer ist denn dafür verantwortlich, was dich stört in der Stadt? Frag doch mal den, was der da machen kann. Dann gehen die irgendwo hin und sagen, hier, weiß ich nicht, der Skatepark, der ist dreckig. Kannst du da was ändern? Dann fragen die die Leute und gucken sich das an, was da passiert. Dann passieren wieder neue Dinge. Und dann merken die mit einem, ey, wir können was ändern. Der Skatepark ist sauer. Wir haben nur vernünftig gefragt, haben mit den richtigen Leuten gesprochen, Skatepark ist sauer. Und dann beginnt was in den Köpfen sich zu verändern. Da zum Beispiel haben sich jetzt so zwei, die nennen das Schülergewerkschaften gegründet. Einen in Essen, einen in Bottrop. Und die haben dann in relativ kurzer Zeit sich Jugendräume geschaffen. Da sind jetzt in der einen, glaube ich, so 200 Jugendliche organisiert, in der anderen weiß ich das nicht genau, auch so 100, 150. Und die schaffen sich eigene Räume. Das hat mit uns nichts mehr zu tun. Die haben bloß bei uns gelernt, dass es geht. Dass du Sachen fordern kannst, dass du dich organisieren kannst, dass wenn du organisiert bist, Dinge umsetzen kannst, die vorher undenkbar waren. Und das sind so Wege, Reisen, die die bei uns erleben können, wo die halt Selbstwirksamkeit erleben. Und jetzt stell dir vor, einer, der vorher keine Sprache hatte, entdeckt die Sprache, macht so eine Reise durch, erlebt, was er verändern kann. Und dann geht der nachher in den Landtag und leitet dann im Landtag irgendwann das Ministerbüro oder Fraktionsvorsitzendenbüro in diesem Falle. Das geht.
Uwe Martin [00:45:20]:
Und dann verändert sich die Gesellschaft.
David Schraven [00:45:22]:
Dann verändert sich die Gesellschaft. Die Leute können die in die Hand nehmen.
Uwe Martin [00:45:27]:
Also ist das, was ihr macht, ganz stark so Demokratieförderung oder Gesellschaftsförderung oder sowas?
David Schraven [00:45:32]:
Genau, ich sehe, für mich ist das der Kern des Journalismus. Das ist halt total interessant. Das ist eigentlich immer das, was man implizit hat im Journalismus. Man denkt das ja immer so. Aber es ist auch explizit so. Wir können als Journalisten, wenn wir unsere Methoden offenlegen, jedem zur Verfügung stellen, können wir unfassbar viele Menschen ertüchtigen, am demokratischen Prozess teilzuhaben. Und das ist ein großer Wert und den wollen wir teilen. Und auch da spielt nicht so eine große Rolle, wie man das macht, wo man das macht, Hauptsache man macht es.
Uwe Martin [00:46:06]:
Wie passiert das, dass du dauernd so geile Ideen hast? Also du hast ja jede Menge davon,
David Schraven [00:46:12]:
wie kommt das? Kann ich sogar einigermaßen beschreiben, weil ich nicht in Produkten denke. Ich weiß gar nicht, wo das herkommt, aber ich denke in Optionen. Das hat auch mit dem Stil der Recherche zu tun, den ich mache. Ich denke nicht darin, was ich wissen will, sondern in welche Optionen bringe ich mich, was zu erfahren. Und so versuche ich mich immer dahin zu bewegen, dass ich für mich neue Optionen eröffne. Wenn ich halt was mache, will ich nicht ein Ziel erreichen. Wenn ich ein Buch schreibe, will ich kein Buch schreiben, sondern ich will dann mir eröffnen, dass ich danach was anderes machen kann. Und dieses danach sehe ich nicht fest. Ich sehe nur Nebel, der sich immer weiter lichtet. Und in dieser Lichtungsphase, wenn der Nebel wegzieht, wenn die Konturen ausformulieren, da bin ich flexibel. Und dann sage ich, so ist nicht, so funktioniert. Und dann bin ich halt gnadenlos pragmatisch, wenn das aus dem Nebel auftaucht, nehme ich das, was funktioniert und nicht das, was ich gerne hätte. Und so wird dann halt aus dem, was ich vorhin gesagt habe, mit diesem strategischen, wird dann so nach und nach das taktische Ziel. Und so kommst du halt auf genug Ideen. Also du musst ja nur wissen, in welche Richtung du willst. Nehmen wir das an mit der offenen Gesellschaft. Da habe ich ein Buch darüber geschrieben, was ich will. Ich will eine Gesellschaft, in der alle Leute mitreden können, in der die Leute selbst ertüchtigt sind, in der Gemeinschaft gefunden wird, in der Probleme erkannt und gelöst werden. Wenn ich das will, das ist das, was im Nebel im Weiten ist, dann entsteht daraus die Reporterfabrik, dann entsteht daraus, weiß ich nicht, jetzt Booktalk vom Cordt, Daraus entstehen tausend Sachen. Und dann ist das so, ich muss das ja nicht selber machen, ich muss ja nur die Optionen eröffnen, dass andere das machen können. Also ist mein Job, mein Ding einfach nur den Nebel zu beschreiben, den Weg im Nebel so ein bisschen zu erahnen und sobald das Konturen gibt abgeben, gucken wer kann was machen, wo kann man abmachen. Und dann ist das überhaupt kein Akte. Deswegen habe ich auch keine Angst davor, wenn Ideen geklaut werden. Ja gut, scheiß drauf, habe ich eine neue.
Uwe Martin [00:48:32]:
Also du bist eher so ein Ideenmensch oder bist du dann auch der Umsetzer?
David Schraven [00:48:40]:
Das ist das, wo ich ein bisschen Glück habe auch im Leben. Ich versuche immer umzusetzen. Ich habe nicht nur Ideen Tourette, sondern ich gucke auch, was ist denn machbar. Auch da kann ich wieder aus diesem Optionalen denken. Wenn ich eine Idee habe, ist es oft so, dass ich die aufschreibe, dass ich so eine grobe Skizze davon mache. Mittlerweile habe ich dafür ziemlich genaue Pläne, wie das aussieht. So mit verschiedenen Fragen, die ich dann beantworte in dem Zustand der Idee. Ist das nur eine einfache Idee, dann sind da zwei Sätze. Ist das eine entwickelte Idee, dann sind dahinter schon mehrere Kapitel, ist eine entwickelte Idee, die halt ausformuliert ist, dann ist das ein Konzeptpapier und die packe ich in den Schrank. Da habe ich eine Datei, da lege ich die alle ab. Und dann kommt das beim Umsetzen darauf an, dass du jemanden findest, mit dem du das machen kannst. Das heißt, ich treffe Leute, unterhalte mich mit denen und mit einmal sehe ich, Moment, das könnte passen. Und dann habe ich da meine Ideenbibliothek, kann dann einer entwickelte rausziehen und sagen, komm, lass uns das machen. Und sehr häufig klappt das. Also, dass du dann genau die Menschen hast, mit denen du das umsetzen kannst. Und die Entscheidungsfindung in diesem kleinen magischen Moment, die ist sehr schnell. Also, das ist, weiß ich nicht, in der Regel drei, vier, fünf Minuten, dann weißt du das.
Uwe Martin [00:50:09]:
Ob die Person passt für deine Idee?
David Schraven [00:50:11]:
Ob die Person passt, ob die Intention dahinter passt, ob das Businessmodell passt. Und wenn dieser magische Funken kommt, dann ist das wie Metall verschmolzen. Dann hast du halt diesen Schmelzpunkt erreicht, dann ist es fest. Und der Rest sind Sachen, die man lösen kann. Also irgendwelche Probleme, die man aus dem Weg räumt. Sachen, die so nicht klappen, anders klappen. Ja, so läuft das. Kann ich vielleicht noch an diesem Beispiel von Publix gerade sagen, weil da fand ich das auch ziemlich interessant. Also die Idee haben wir aufgeschrieben gehabt, die Grundideen bei uns, bei Correctiv. Da haben wir darüber nachgedacht, was ist denn das Schönste, was es gibt. Was ist die Schokoladenfabrik im Journalismus? Und dann haben wir das aufgemalt und so unten muss das sehr offen sein, dass die Leute reinkommen. Dann muss man so Co-Working haben, dass man mit anderen zusammenarbeiten kann, so sehr flexibel. Dann Büros, dann muss das so und so aussehen. Und wir haben das gemalt auf einer Tapetenmatte, richtig bunt mit Farbstiften und sonst was. Und als das fertig gemalt war, da habe ich mir das nochmal angeguckt nachher und habe gedacht, das ist kein Bild von einer Schokoladenfabrik im Journalismus, sondern das ist ein Real Estate Development, das ist ein Immobiliengeschäft. Durch die verschiedenen Gewerke, die da reingezeichnet sind, Gastronomie, Studiobetrieb, Co-Working und so weiter, Vermietung, hast du halt einen gewissen Business-Faktor da drin. Das kannst du umrechnen. Du kannst das auf Quadratmeterpreise umrechnen. Wenn ich die Quadratmeterpreise umrechne auf die Investitionssumme, kann ich festlegen, wie viel Profit ich haben will. Wenn ich eine Niedrigzinsphase habe, in der ich mit Festanlage 2-3 Prozent pro eingelegten Euro verdienen kann, Und ich kann aber mit diesem Immobilienentwicklungsprojekt, was ich skizziert habe, drei oder vier oder fünf Prozent rausholen. Und dann nehme ich das noch aus einem Kapital, was ich als Impact Investment anlegen will. Dann ist das eine verdammt lukrative Sache. Und das habe ich dann einem Geschäftsmann vorgeschlagen, dem Schöpflin, und habe dem Schöpflin dazu erzählt. Und er hat das sofort verstanden und hat gesagt, ja super, machen wir. Und dann ist halt auch kein Problem, 20 oder 30 Millionen zu investieren, weil du weißt ja die Prozente, die zurückkommen in deinem Investment. Deswegen sage ich das auch so, das kannst du überall auf der Welt nochmal machen. Ich gehe davon aus, dass dieses Konzept als Immobilienentwicklungskonzept, ähnlich wie so ein anderes Konzept ohne Probleme auf der ganzen Welt wiederholt werden kann. Das ganze 40, 50 mal machen.
Uwe Martin [00:52:56]:
Ja. Du hast gesagt, das mit dem Kaffeewagen, Das könnte man mittlerweile überall machen. Da steckt ein Geschäftsmodell dahinter. Könntest du das kurz nochmal auf den Punkt bringen? Also was verdienst du damit im Moment und so weiter und so fort? Und wieso könnte das eigentlich jeder machen?
David Schraven [00:53:10]:
Also das Geschäftsmodell dahinter ist von der Idee rund den Kaffeewagen, diese Community-Arbeit rund den Kaffeewagen. Du hast im Journalismus immer einen Bereich, der querfinanziert worden ist. Das war Anzeigengeschäft, das war Reichweitengeschäft. Diese Geschäfte sind nicht mehr da. Machen wir einfach ein anderes Geschäft. Jetzt kann ich halt sagen, ich verkaufe Klamotten, damit Journalismus quer zu finanzieren, oder ich mache was, was diesen Kommunikationsraum erzeugt. Und Kommunikationsraum ist im Endeffekt alles, was rund die Gastronomie passiert. Kaffee ist halt einfach schnell sehr nah am Reden, sehr nah am Menschen, lohnt sich hervorragend für eine Quersubventionierung. Also die Margen im Kaffee sind halt enorm und wenn du dat gezielt angehst, es hat ein Bombengeschäft für Journalismus. Du erzielst ja durch deine Produkte, als journalistischen Produkte, die du machst, auch die Notwendigkeit für die Leute, da hinzukommen, wo sie ihren Kaffee kaufen können. Weil da wird ja diskutiert, da passieren ja die Dinge, da sind da mit einmal die Events, Da sind mit einmal die öffentlichen Debatten, da ist mit einmal das, wo das Theater ist. Dann kommen die Leute. Und ich glaube, wenn man das ordentlich macht, ist das auch schnell sehr profitabel.
Uwe Martin [00:54:28]:
Kannst du mal so eine Hausnummer nennen für Leute, die jetzt sagen, David hat coole Ideen, ich würde das jetzt gerne umsetzen in meiner kleinen Stadt?
David Schraven [00:54:34]:
Ich glaube, das kommt ein bisschen auf die Größe der Stadt an. Ich glaube, das funktioniert nicht in jeder Größe der Stadt und nicht in jeder Stadt. Aber wenn man eine geeignete Stadt hat, gehe ich davon aus, dass man Umsätze die 30.000, 35.000 Euro pro Monat hinkriegt und dass da überbleiben so zwischen 10.000 und 15.000 Euro.
Uwe Martin [00:54:54]:
Mit was für einer Investition?
David Schraven [00:54:57]:
Zwei ordentliche Kaffeemaschinen. Ich persönlich würde ja Moccamaster nehmen, die super sind. Die kosten relativ wenig, die sind richtig geil und da kriegst du einen Bomben Kaffee raus.
Uwe Martin [00:55:09]:
Also ein paar hundert Euro in die Hand nehmen, einen kleinen Kaffeewagen bauen und zack läuft die Redaktion. Also Arbeit und bereit sein zu schwitzen.
David Schraven [00:55:18]:
Eine Menge Arbeit, eine Menge ausprobieren, was der richtige Weg ist. Der ist ja auch in jeder Stadt anders. Kommt darauf an. Ich weiß auch nicht, ob für jede Stadt ein Kaffeewagen der richtige ist. Da kann auch wieder da was anderes sein. Kaffee ist wichtig. Ich habe Mocha-Tee probiert. Mocha-Tee ist nicht richtig. Trink nur ich. Aber das meine ich halt. Es kann alles anders sein. Und der Kollege aus Chicago, der das in der Kneipe gemacht hat. Geht auch. Also man muss gucken, wo ist der Ort, mit dem ich meine Community vor Ort kreiere. Aber du brauchst da keine großen Investitionen. Das ist totaler Quatsch.
Uwe Martin [00:55:58]:
Ist ein interessanter Punkt, weil du bist ja jetzt, du hast Correktiv gegründet, das heißt du hast mittlerweile, über viele Jahre aufgebaut, einen sehr großen Apparat zur Verfügung. Gute Finanzmittel, ein Riesenteam und so. Können das auch Freie oder kleine Lokalredaktionen oder so? Also wo und wie?
David Schraven [00:56:19]:
Ich bin auch nur wie alle anderen. Ich war auch jahrelang frei. Ich glaube, das kann jeder. Wenn ich das kann, kann das jeder. Ich kann nichts mehr wie andere. Ich glaube, den einzigen Unterschied, den es gibt, ist Erfahrungswissen und das zweite ist Energie und Leidenschaft. Ich habe ja auch nicht immer alles geschafft. Ich habe meinen ersten Verlag, den habe ich mit 17 gegründet, mit dem bin ich mit 18 pleite gegangen. Ich habe bei der TAZ gearbeitet, die TAZ Ruhr aufgemacht. Da hatte ich überhaupt keine Kohle. Da hab ich einfach nur gekämpft, geguckt, dass ich das hinkrieg. Und das hat ein paar Jahre gehalten, das war gut. Jeder kann das. Und das Entscheidende ist, dass man flexibel genug bleibt, dass man sich verändert, dass man sich den Gegebenheiten anpasst, dass man energisch genug ist, dass man einfach nicht aufgibt. Und dass man so mit der Flexibilität, mit der Energie und mit dem Kampfgeist die Lücke findet, in der man sich etablieren kann. Und sobald man das hat, muss man sich festkrallen. Und dann, auch das unterschätzen viele, ist das halt auch ein Lebenskampf. Da kommt keiner und schenkt dir irgendwas. Du musst dir jeden einzelnen Millimeter erkämpfen. Wenn du dieses Mindset hast und dazu bereit bist, dann kannst du so was durchsetzen. Ich persönlich glaube, dadurch, dass so viele lokale, regionale Zeitungen so viele Fehlentscheidungen getroffen haben, ist das im Moment eine Bonanza. Wenn du genug Energie mitbringst und Kampfgeist mitbringst, kannst du diese Lücken entdecken in vielen, vielen Städten.
Uwe Martin [00:58:02]:
Du musst dann nur reingehen und einfach anfangen.
David Schraven [00:58:03]:
Reingehen, kämpfen, gucken, wie es geht und dann flexibel genug sein. Für den einen ist das der Kaffeewagen, für den anderen eine Hekelgruppe. Was in den unterschiedlichen Gegenden richtig ist. Ich glaube nur, man darf nicht mit vorgefügten Stanzen reingehen und sagen, das ist das Modell, das setze ich um. Wenn ich halt sage, ich will nur schreiben und veröffentlichen und dafür Geld kriegen, dann wird nicht klappen. Das kann ich dir sagen. Aber wenn du reingehst und sagst, ich möchte hier für meine Community einen Wert schaffen, indem ich Kommunikation organisiere, mach et, das kann klappen. Und dann musst du gucken, was heißt das genau? Ist das Event? Mach ich Events? Ist das mehr, ich schreibe eine Geschichte? Ist das mehr, ich mache ein Flugblatt? Ist das mehr, ich mache, weiß ich nicht, einen Gebetskreis? Das kann alles Mögliche sein. Aber da kann ich mich mit Flexibilität mich durchsetzen.
Uwe Martin [00:58:58]:
Glaubst du denn, wenn du jetzt so Leute, die jetzt in Journalismus einsteigen oder da gerade so am Kämpfen sind. Und so gibt es ja wahnsinnig viele Freie, die wissen kaum, wie sie klarkommen sollen. Ist das das Ding, was du sagen würdest? Einfach dich konzentrieren auf das, was du erzählen willst? Oder was ist so der Kern, wo du glaubst, was ist die wichtigste Stellschraube, die die Leute halten?
David Schraven [00:59:22]:
Ich kann das nur aus meinem Leben sagen. Und in meinem Leben war das so Mir hat nie die Sonne da aus dem Arsch geschien. Aber ich hab das gemacht, was ich für wichtig fand. Und wenn ich das für wichtig fand, dann habe ich dafür alles gegeben. Dann habe ich keinen Feierabend nach acht Stunden gehabt oder so ein Kokolores. Ich habe teilweise tagelang von Lolli am Tag gelebt, weil ich keine Kohle mehr hatte. Aber du musst halt kämpfen. Und das ist halt das Entscheidende. Und wenn du halt erwartest, dass dir die Tauben in den Mund fliegen, dann wird das nicht klappen. Aber wenn du kämpfst und du verfolgst dein Ziel und bist dabei flexibel genug, dass du merkst, was ist denn hier genau mein Ziel? Wo verfolge ich denn jetzt mit Starsinn das Falsche? Wo muss ich meine Taube kappen, weil der Mast über Bord gegangen ist? Wenn du da flexibel bist, aber auf der anderen Seite entschlossen bist, dann geht das. Kann ich vielleicht nochmal so auseinanderhalten. Das eine ist im taktischen, da musst du halt in der Lage sein, alles zu verändern, was zu verändern werden muss. Im strategischen musst du dir vorher klar sein, in welche Richtung du gehst. Wenn du das hast, dann kommst du mit einem kaputten Boot nach Amerika.
Konzipiert und produziert von Uwe H. Martin
mit Unterstützung von Till Wollenweber
© Uwe H. Martin
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